Das Heavy Metall der Bauern

In dieser Woche entscheidet die Europäische Union, ob Landwirte weiter Kupfer benutzen dürfen, um ihre Pflanzen vor Pilzbefall zu schützen. Das Umweltbundesamt schlägt Alarm: Das Schwermetall verseucht den Boden

BERLIN taz ■ Einmal im Jahr füllt Bauer Adolf Schapfl in sein auf einen Anhänger montiertes Spritzfass nicht chemisch-synthetische Pestizide, sondern eine Metalllösung: Kupfer. Danach zieht er das Fahrzeug mit einem Traktor auf seine Hopfenfelder 60 Kilometer nördlich von München. Ein Ventilator bläst die Flüssigkeit auf die Blätter seiner Hopfenpflanzen. „Wir brauchen das Kupfer, um den Pilz Peronospora zu bekämpfen“, sagt Schapfl. Aber das Schwermetall tötet nicht nur die Krankheitserreger, sondern schädigt auch Nützlinge wie Regenwürmer, die eigentlich nicht bekämpft werden sollen.

„Kupfer ist für alle anderen Organismen, die wir draußen haben, ebenfalls giftig“, sagt Ökotoxikologe Tobias Frische vom Umweltbundesamt (UBA). Er verweist auf Studien, die gezeigt hätten: Bei Kupfereinsatz leben weniger Arten im Boden und von denen, die bleiben, weniger Individuen. Das Problem wird dem Experten zufolge immer größer, da sich der Stoff im Gegensatz zu anderen Pestiziden nicht abbaut: „Kupfer reichert sich in den Böden an. Man kriegt das nicht wieder raus.“

Pro Jahr gelangen laut UBA im Schnitt rund 300 Tonnen Kupfer als Pflanzenschutzmittel in die Umwelt – besonders in den sehr schädlingsanfälligen Wein-, Obst- und Hopfenbetrieben.

Wenigstens gebe es keine Hinweise dafür, dass mit Kupfer angebaute Produkte eine Gefahr für den Menschen sind, meint Frische. Auch ins Grund- und damit ins Trinkwasser gelangt Kupfer demnach nicht, weil das Metall in den oberen Bodenschichten hängen bleibt. „Die Anreicherung im Boden ist aber aus Umweltschutzsicht schädlich. Darauf müssen wir aufmerksam machen“, sagt der Wissenschaftler.

Seine Warnungen richten sich vor allem an die Europäische Union. Ihre Mitgliedstaaten wollen in dieser Woche entscheiden, ob Kupfer weiter als Pflanzenschutzmittel verkauft werden darf. „Wir wünschen uns von der EU ein klares Signal, dass der Stoff Schwierigkeiten macht und dass wir dringend Alternativen brauchen“, erklärt Frische. Die Länder könnten Kupfer zum Beispiel nur für fünf Jahre genehmigen. Die Chancen stehen allerdings schlecht: Der Vorschlag der Kommission sieht die regulären zehn Jahre vor.

Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace fordern dennoch, den konventionellen Bauern Kupfer nur noch für Notfälle zu erlauben. Sie spritzen laut UBA mehr als 90 Prozent dieser Pestizide. „Die Konventionellen haben Alternativen“, sagt Greenpeace-Experte Manfred Krautter.

Der Verband Deutscher Hopfenpflanzer dagegen warnt: Wenn seine Mitglieder auf das Metall verzichten müssten, würden mehr Pilze resistent gegen die chemisch-synthetischen Pestizide. „Wir haben schon jetzt neben Kupfer nur drei wichtige Mittel gegen diese Erreger“, sagt Geschäftsführer Otmar Weingarten. Ohne das Metall könnten die Bauern noch weniger Gifte variieren, und die Erreger würden sich schneller anpassen.

Überhaupt hätten die Bauern den Kupfereinsatz schon stark reduziert. „Wir sehen das Anreicherungsproblem auch, aber in der Abwägung aller Faktoren glauben wir, dass eine Anwendung im Jahr noch zu vertreten ist“, sagt Weingarten.

Auch die Ökobauern hat Greenpeace-Aktivist Krautter beim Kampf gegen Kupfer im Visier, aber wegen ihrer geringen Mengen nicht vorrangig. „Sie haben in einigen Bereichen noch keine ausreichende Alternative zum Kupfer“, sagt der Umweltschützer. Er begrüßt, dass die Biobauernverbände versuchen wollen, ihren Verbrauch von derzeit rund drei Kilogramm je Hektar auf zweieinhalb Kilo zu senken. „Das dauert mir zwar auch zu lang, aber wenn Kupfer kurzfristig komplett untersagt würde, käme der Anbau von Biokulturen wie Wein oder Obst in Gefahr.“ Und Ökolandbau hält er trotz des Einsatzes des Schwermetalls immer noch für umwelt- und gesundheitsfreundlicher als die konventionelle Variante mit gefährlichen chemisch-synthetischen Pestiziden und Kunstdüngern.

Die Bioverbände scheinen das Problem erkannt zu haben – das zeigt ihre Initiative für weniger Kupfereinsatz, auch wenn diese relativ unverbindlich ist. Den Ausweg sieht der Dachverband der Branche, BÖLW, aber nicht in einem Kupferverbot, sondern in mehr Forschung: Züchter könnten etwa an Weinreben arbeiten, die nicht so leicht an Pilzen erkranken. JOST MAURIN