Lust auf‘s kleine Einmaleins

Déjà-vu im Strafraum: Werder Bremen besiegt Hertha BSC Berlin mit 4:2 und darf damit wieder auf einen UEFA-Cup-Platz hoffen. Allerdings ohne Ailton: Der kickt sich selbst auf die Ersatzbank

Werder mit Lust: Die Bälle laufen schnell und kleinteilig durch die Mitte

taz ■ Der Werder-Zyklus – er bleibt Geheimnis. „Gegen Werder ist es schwer zu spielen“, sagte kürzlich FC Bayern-Stürmer Giovanne Elber mit der sanften Weisheit des Meisters. „Mal sind sie Weltklasse, dann geht’s bei ihnen wieder nicht so.“ Und Werder-Manager Klaus Allofs holt die komplizierten Stimmungsschwankungen runter auf die Ebene des kleinen Fußball-Einmaleins: „Wir haben Tore geschossen“, sagt Allofs auf die Frage, was bei dem 4:2 Heimsieg gegen Hertha BSC Berlin anders gewesen sei als sonst.

Dabei war nicht nur das mit den Toren anders: Werder hatte auch einfach mal wieder ganz zwanglos Lust auf einen Sieg. Soviel Lust, dass die fragile Manschaftspsyche nach dem 0:1-Rückstand in der 21. Minute nicht greinend zusammenbrach, auch nicht mit einem verkrampften „Jetzt-erst-recht“ auf die kollektive Brechstange setzte, sondern: Werder erzielte den Ausgleich entspannt – und postwendend. 23. Minute: Ecke Ailton, Gewusel vor dem Tor, Hertha-Keeper Kiraly signalisiert dem Schiedsrichter Handspiel, die Hertha-Abwehr denkt darüber nach und Mladen Krstajic locht aus acht Metern ein.

Und weiter: Werder mit Lust. Die Bälle laufen schnell, kleinteilig kombiniert durch die Mitte. Immer öfter entdeckt Mittelfeld-Motor Micoud die Flügel, schickt immer wieder rechts Paul Stalteri – der regelmäßig in die Beine von Herthas Abwehr passt. Aber egal: Die Ecke in der 27. Minute übernimmt Micoud selbst, Gewusel vor dem Tor, déjà-vu, die Hertha-Abwehr denkt darüber nach und Ludovic Magnin sieht die freie Ecke. Hertha-Trainer Huub Stevens: „Wenn man in Führung geht und dann nach Ecken zwei Tore weggibt, bei denen die Organisation nicht stimmt – da verstehe ich die Welt nicht mehr.“

Immerhin: Hertha versucht’s mit Gegenwehr, kommt über die Flügel, passt von da aus in den Rücken der Werder-Abwehr, die prompt nervös wird. Was Kapitän Frank Baumann zur Einleitung des 3:1 motiviert: Steil auf Ailton, der Keeper Kiraly anschießt. Sturm-Kollege Angelos Charisteas staubt ab.

Gut für Werder, schlecht für Ailton: Nichts gelingt dem Brasilianer an diesem Nachmittag. Mal sind’s die Stollen, die ihn rutschen lassen, mal das eigene Bein, über das er stolpert, mal das von Alexander Madlung, das ihn in der 74. Minute völlig bedeutungslos an der Mittellinie zu Fall bringt. Ailton wird sauer, drischt den Ball weg und sieht gelb. Damit ist er im nächsten Spiel gesperrt. Und wird sich von Manager Klaus Allofs und Trainer Thomas Schaaf einiges anhören müssen.

Gut nachsitzen ließe sich auch noch über das Kapitel „Konter“: Werder zieht sich in der zweiten Halbzeit zurück, wartet auf Konterchancen, bekommt sie und macht nichts daraus.

Allein Micoud lässt in der 76. Minute drei Berliner aussteigen und spitzelt weiter zu Charisteas, der zum 4:1 einschießt. Das 4:2 im Gegenzug durch Thorben Marx: Makulatur.

Werder Bremen darf damit wieder auf das internationale Geschäft hoffen, der nächste UEFA-Cup-Platz liegt nach dem 31. Spieltag drei Punkte entfernt. Zudem versucht’s Trainer Schaaf bei den Experimenten mit dem Werder-Zyklus in der kommenden Woche mit dem Instrument „Belohnung“: Die Werder-Spieler haben zwei Tage frei bekommen, ehe die Vorbereitung für das nächste Spiel in Stuttgart beginnt. Klaus Irler