„Vielleicht spalten wir uns“

Der Vorstand der Abu Bakr-Moschee will mit Gotteskämpfern nichts zu tun haben. Aber auch nicht mit Fragen nach Verantwortung – seit ein zweiter junger Gläubiger als mutmaßlicher Extremist auffiel

„Wer kann wissen, was in den Köpfen solcher Leute vorgeht?“, sagt der Vorstand„Wir sind nicht wie eine christliche Kirche, wo der Pfarrer jeden kennt.“

taz ■ Der erste Vorsitzende der Abu Bakr-Moschee hat Probleme. Allein für die Miete der großzügigen Räume im Breitenweg muss die Moscheegemeinde rund 3.000 Euro im Monat aufbringen. Die rund 65 offiziellen Gemeindemitglieder alleine schaffen das nicht. Bei jedem ersten Freitagsgebet im Monat wird deshalb gesammelt. Unter den rund 400 versammelten Glaubensbrüdern kommen dann noch mal rund 900 Euro zusammen. „Aber jetzt bleiben viele Leute weg“, sagt Hassan Challali. Die Schlagzeilen im Zusammenhang mit der Busentführung durch einen deutsch-libanesischen Jugendlichen, der zuletzt in der Moschee betete, verletze und belaste die Mitglieder.

„Vielleicht müssen wir uns spalten“, erwägt Challali. Dann hätte er auch nicht den Ärger mit den Änhängern des jetzigen Imams, die das Vertragsende ihres Gottesmannes nicht hinnehmen wollen. Dann gäbe es wieder Ruhe – und vielleicht jene Friedfertigkeit, die für den Islam so bedeutsam sei, sagt der gebürtige Marokkaner nachdenklich. „Vielleicht sollte man eine neue Moschee nur für die 50 marokkanischen Muslime gründen“ – und die arabischen Muslime aus dem Nahen Osten könnten ein eigenes Gebetshaus haben?

Challali, ein Mann im besten Alter, gehört zu den Gründern der Abu Bakr-Moschee – über deren Besucher seit Jahren niemand einen Überblick zu haben scheint. „Was weiß ich, wer sich hier den ganzen Tag trifft. Leute kommen und gehen“, sagt er. 1987, als er die arabisch-sprachige Moschee, damals noch an anderem Ort, ins Leben rief, sei das anders gewesen.

Er klingt ein wenig sehnsüchtig, wenn er sich an diese „ruhigen Zeiten“ erinnert, in denen er nicht der Presse Rede und Antwort stehen sollte – zu fundamentalistischen Tendenzen in der Moschee, über möglicherweise fanatisierte Anheitzer oder über islamistische Hintermänner, die junge Männer auf der Suche nach ihren religiösen Wurzeln zur Gewalt verleiten. Alles Dinge, von denen Moscheeverantwortliche wie Challali keine Kenntnis haben wollen – und deshalb auch keine Verantwortung.

Ja, der als „Bremer Taliban“ bekannt gewordene Murat K., der 19-jährig vor eineinhalb Jahren nach Pakistan oder Afghanistan ausreiste und von den Amerikanern seither als vermeintlicher Gotteskämpfer auf Guantánamo festgehalten wird, sei in der Moschee gewesen. Auch der 17-jährige inhaftierte Busentführer Ali Marwan T.. Aber mehr wisse er nicht. „Wir sind nicht wie eine christliche Kirche, wo der Pfarrer jeden kennt.“ Das Schicksal der beiden jungen Männer scheint ihn nicht weiter zu beschäftigen. Als „unerklärlich und verrückt“ tut er es ab. Dass seine Moschee Anziehung auf junge Persönlichkeiten ausübt, die später als vermeintliche Extremisten auffallen, will ihm nicht einleuchten.

„Wer will wissen, was in den Köpfen unserer Besucher vorgeht?“, sagt er. Es gebe 40.000 Muslime in und um Bremen. Vielleicht hätten die Eltern Erklärungen für das Verhalten der Söhne?

„In der Moschee treffen sich auch keine extremistischen Kreise“, sagt Challali. Sollte es so sein, hätte der Verfassungsschutz eingreifen müssen. Dass die Moschee unter Beobachtung stehe, sei doch klar, seit man vom „Bremer Taliban“ wisse. Mehr könne er nicht sagen. Eva Rohde