Umsonst gespielt

Hannover 96 ist auch im Spiel gegen den VfB Stuttgart mindestens gleichwertig – und verliert doch mit 1:2

HANNOVER taz ■ Es ist bald eine Ewigkeit her, dass Ralf Rangnick den VfB Stuttgart trainiert hat. Genauer: Im Februar 2001 quittierte er dort seinen Job. Und dass Fredi Bobic im magischen Dreieck sprang, statt in der norddeutschen Tiefebene Tore schießend seiner Profession nachzugehen (jawohl: „gehen“), ist noch länger her, quasi Steinzeit. So verwunderte es nicht, dass nach dem 2:1-Sieg der Stuttgarter in Hannover niemand die geschichtsnotorischen Aspekte des Spiels ansprach, aussprach, besprach. Die beiden Trainer beschränkten sich beim Blick zurück sowieso auf die nächstliegende Vergangenheit, dito Zukunft. Dabei aufgeräumt und gelassen, was sonst: Felix Magath, der Nachfolger Rangnicks in Stuttgart, der, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, Mayer-Vorfelder nur noch ein paar Monate ertragen musste, ein möglicherweise entscheidender Vorteil. Kurz vor der Pressekonferenz plauderte Magath mit den aus Schwaben angereisten Journalisten. Champions League? Er werde doch nicht so kurz nach einem Sieg die Zielsetzung ändern. Habe man ja bereits in der Winterpause, als man auf die Uefa-Cup-Teilnahme einschwenkte. Mit demselben Hinweis auf unerwünschte Eile lehnte Magath es ab, Sean Dundee sofort einen neuen Vertrag anzubieten. Der aber wartet darauf.

Seit August 2001 war Dundees Name nicht mehr in der Anfangself aufgetaucht, auch am Sonnabend stand er in keiner der einschlägigen „voraussichtlichen Aufstellungen“. Aber er durfte ran, was sich als motivationspsychologische Meisterleistung entpuppte, denn Dundee wurde anschließend zum „Mann des Tages“ erkoren. Als Bewerbungsargument hatte er die beiden einzigen Stuttgarter Chancen der ersten Halbzeit souverän ins Netz gesetzt (19. und 37. Minute) mit großzügiger Unterstützung der hannoverschen Innenverteidigung. Die war auch an der allerersten Schlüsselszene des Spiels beteiligt in Person von Kostas Konstantinides. Als der in der 2. Minute einen Strafstoß verschoss, summte den Zuschauern, die den Song kennen, einmal mehr Captain Beefhearts „It’s the Same Old Blues Again“ im Ohr: Vier von fünf Elfern haben die 96er in dieser Saison versemmelt. Stuttgart, nach zwei weniger erfolgreichen Spielen zunächst unsicher und dann abwartend, beschränkte sich auf eine gut gestaffelte, wenngleich nicht fehlerfreie Defensive. Das 0:2 kurz vor der Pause aber schockierte die 96er. Es sei schwer gewesen, „die Mannschaft so hinzubekommen, dass sie noch mal angreift“, sagte Rangnick später.

Es sah denn auch vorerst nicht so aus, als ob das Publikum wenigstens einmal den Namen des Sponsors zu hören kriegen sollte, der die Tore der Heimmannschaft präsentiert (früher, zu Zweitligazeiten, war’s die Landschlachterei Gramann). Der Lattenknaller Bobics (das 15. Mal, dass 96 nur den Rahmen des Tores traf, wenn die saisonale Datenbank nicht irrt) war das einzig Aufregende, auch weil die Anzeigentafel Beruhigendes vermeldete: den Rückstand Nürnbergs nämlich. Erst als der eingewechselte Kaufman auf 1:2 verkürzte, wurde es wieder turbulenter. Hoch nach vorne oder kurz und flach – es nützte nichts. „Wir spielen, spielen, spielen und machen das Spiel, aber es fehlt der letzte Schritt“, bemerkte Hannovers Steven Cherundolo.

Und der Mobbing-Produzent aus Rangnicks Stuttgarter Ära? Auf seiner Abschiedstournee gab Balakow ein engagiertes Gastspiel, unspektakulär, klug und effektiv. Ein Tick grandioser war freilich sein Nachfolger Hleb, der eben mal vier Gegner stehen ließ, um anschließend eine Flanke auf Dundee zu zirkeln, der nun seinerseits den Pfosten traf. Immerhin: Beim VfB standen anfangs acht Spieler auf dem Platz, die schon unter Rangnick zum Kader gehörten, bei seinem aktuellen Verein waren fünf dabei, die erst während der Saison engagiert wurden. Tja, aber rabulistische Statistiken wie diese interessieren natürlich niemanden weniger als einen Trainer, der den Abstieg verhindern soll: „Ich bin überzeugt, das wir den Klassenerhalt schaffen. Wir dürfen allerdings keinen Elfmeter mehr verschießen. Im doppelten Sinne“, stellte Rangnick lieber fest.

DIETRICH ZUR NEDDEN