: Wanzen tanzen bei der UNO
Weitere Enthüllungen zur Abhöraffäre bei den Vereinten Nationen: Auch der Exgeneralsekretär Butros Butros Ghali sowie die früheren Waffeninspekteure Blix und Butler wurden belauscht
GENF taz ■ Der Skandal um die Lauschangriffe auf UNO-Generalsekretär Kofi Annan durch Großbritannien weitet sich immer mehr aus. Am Freitag erklärten sowohl Annans Vorgänger Butros Butros Ghali wie die ehemaligen Chefs der UNO-Waffeninspektoren im Irak, Hans Blix und Richard Butler, sie seien ebenfalls abgehört worden. Während Butros Ghali und Blix keine Angaben über die Verantwortlichen für die Abhörmaßnahmen machten, erklärte Butler, er sei während seiner Amtszeit als oberster Waffeninspektor der UNO durch die Geheimdienste der vier ständigen Ratsmitglieder USA, Großbritannien, Frankreich und Russland belauscht worden.
Aus der New Yorker UNO-Zentrale erfolgte bis gestern lediglich eine Reaktion durch Annans Sprecher Fred Eckard auf die Abhörpraktiken. „Wir möchten, dass diese Praxis aufhört, falls sie tatsächlich angewandt wird“, erklärte Eckard. „Sie untergräbt die Geschäftsgrundlage des Generalsekretärs.“
Die frühere britische Ministerin für Entwicklungshilfe, Claire Short, die am Donnerstag in einem BBC-Interview erklärt hatte, dass Annan vor dem Irakkrieg vom britischen Auslandsgeheimdienst MI6 systematisch ausspioniert wurde, wies unterdessen die Kritik von Premierminister Tony Blair an ihrem „empörenden Geheimnisverrat“ entschieden zurück. Short warf Blair eine „aufgeblasene Ablenkungstaktik“ vor. „Entweder sagt Blair: ‚Ja, es ist wahr‘, oder er muss sagen: ‚Nein, das ist nicht wahr‘, und dann würde er lügen“, erklärte Short.
Bereits vor einem Jahr war bekannt geworden, dass der US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) die New Yorker Diplomaten von sechs nichtständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates abgehört hatte, die seinerzeit den Krieg gegen Irak ablehnten.
Bereits 1945 hatten die USA die Diplomaten sämtlicher 50 Mitgliedsstaaten der UNO-Gründungsversammlung systematisch belauscht, um deren Position insbesonders zur Frage eines Vetorechts für die USA und die anderen künftigen ständigen Mitglieder des Sichheitsrates in Erfahrung zu bringen.
ANDREAS ZUMACH
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