KOSOVA ZEIGT: EINE UN-VERWALTUNG IST DEM IRAK NICHT ZU WÜNSCHEN
: Warnung vom Balkan

Der Kampf ist aus, die Debatte um die Position der Vereinten Nationen im Nachkriegsirak steuert auf ihren Höhepunkt zu. Dabei wird Kosova immer wieder als Argument angeführt – und zwar sowohl für als auch gegen eine führende Rolle der UN. Tatsächlich kann das Beispiel Kosova helfen, den richtigen Weg für den Irak zu finden. Denn in der Region zwischen Serbien, Montenegro, Albanien und Mazedonien kann man live erleben, wie die UN-Verwaltung einer Nachkriegsgesellschaft jenseits aller Theorien und Pläne in der Praxis aussieht.

Die Geschichte der Mission der Vereinten Nationen in Kosova (Unmik) begann im März 1999. Gerade war die Nato dabei, mit Luftangriffen auf die Bundesrepublik Jugoslawien die zwölfjährige Terrorherrschaft des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević über Kosova zu beenden. Da beschloss der Sicherheitsrat die Resolution 1244, die es sowohl der Nato als auch der jugoslawischen Führung erlaubt, den Krieg zu beenden – und das ohne den Einsatz von Bodentruppen.

Resolution 1244 ist ein Kompromiss zwischen dem Wunsch der albanischen Mehrheit in Kosova nach einer Unabhängigkeit von Jugoslawien und dem der serbischen Minderheit nach einem Verbleib im bisherigen Staat. Kosova verblieb völkerrechtlich bei Jugoslawien, erhielt aber eine von diesem Staat unabhängige UN-Verwaltung mit der Aufgabe, das zerstörte Land wieder aufzubauen. Die Resolution 1244 löst den grundsätzlichen Konflikt also ausdrücklich nicht – und die UN hatte von Anfang an die Aufgabe, diesen Status quo zu bewachen. Trotzdem wurden die Vereinten Nationen von der Mehrheit der albanischen Kosovaren freundlich begrüßt. Sie sahen in den eintreffenden „Internationals“ Befreier und legten ihr Vertrauen in die neuen Verwalter. Die Erwartungen waren hoch nach all den Jahren der Unterdrückung. Zudem hielt Unmik sich auch nicht eben zurück, wenn es um große Versprechungen und Pläne für das neue Kosova ging. Nur wenige glaubten diesen schon damals nicht.

Heute dagegen machen die meisten Kosovaren Unmik verantwortlich für vier Jahre der Hoffnungslosigkeit. Warum? Eine Unmik-Übersetzerin verdient 4-mal so viel wie eine Universitätsprofessorin, ein Unmik-Fahrer 20- bis 30-mal so viel wie ein Rentner. Die Manager der staatlichen Firmen, die der UN unterstehen, verdienen 3-mal so viel wie die Minister der gewählten Regierung Kosovas – in einem Land, in dem die Hälfte der Bevölkerung nach UN-Maßstäben als arm gilt.

Die Arbeitslosigkeit im UN-verwalteten Kosova liegt vier Jahre nach Kriegsende bei 70 Prozent. Weder funktioniert die Energieversorgung noch das Post- und Telefonnetz noch die medizinische Versorgung noch das Erziehungswesen noch die Müllabfuhr noch Wasserversorgung noch Umweltschutz. Von einem funktionierenden staatlichen Sicherheitsapparat kann keine Rede sein, die UN-Bemühungen, einen unabhängigen Justizapparat zu schaffen, sind genauso gescheitert wie die Reform der Polizei. Gleichzeitig spielen in den UN-verwalteten Betrieben Arbeitnehmerrechte keine Rolle; die Vereinten Nationen kümmern sich bei der Privatisierung weder um die Wünsche und Ansprüche der Belegschaften noch darum, dass die Unternehmen in Exjugoslawien öffentlicher Besitz sind. Die Unmik-Finanzverwaltung schützt wenig die einheimische Produktion und tut nichts für den Export. Viele Kosovaren glauben zudem, dass Unmik Korruption bei öffentlichen Mandatsträgern im Tausch gegen deren Unterstützung der Mission toleriert hat. Sollte dies stimmen, kann es nicht verwundern, wenn die Macht trotz des katastrophalen Missmanagements der vergangenen vier Jahre letztendlich bei der UN bleiben muss. Auch wenn der derzeitige Unmik-Chef Michael Steiner nicht müde wird, mehr Rechte für die gewählten Institutionen von Kosova zu versprechen.

So bleiben die Kosovaren auch nach dem Ende der serbischen Repression fremdbeherrscht. Es bleibt zu hoffen, dass die zukünftigen Verwalter des Irak aus den Fehlern der UN-Mission in Kosova lernen. Es wäre nicht nur schade, wenn sich die Geschichte eines 2-Millionen-Einwohner-Landstrichs an der südöstlichen Peripherie Europas im Nahen Osten wiederholen würde. Sondern in Anbetracht der Größe und Bedeutung des Irak auch gefährlich.

AGRON BAJRAMI

Stellv. Chefredakteur von Koha Ditore (Tageszeit), der größten Zeitung Kosovas. Übersetzung: Rüdiger Rossig