Schweden fährt gut ohne Euro

Vier Monate vor der Volksabstimmung zur Einführung der neuen Währung liegen die Gegner mit 51 zu 37 Prozent vorn. Ministerpräsident Göran Persson will Parteifreunde disziplinieren, indem er ihnen das Ende der politischen Karriere androht

aus Stockhom REINHARD WOLFF

Mit Stalin verglichen zu werden passiert Schwedens Ministerpräsident Göran Persson nicht jeden Tag. In dieser Woche fanden diesen Vergleich aber gleich mehrere seiner Genossen angebracht. Der Regierungschef und Vorsitzende der Sozialdemokraten will plötzlich denen einen Maulkorb verpassen, die Nein zum Euro sagen. Hätten diese gleichzeitig führende Positionen in Regierung oder Partei inne, sollten sie gefälligst wählen: Mund halten oder gehen.

Vier Monate vor der Euro-Volksabstimmung zeigen die Umfragen eine klare Nein-Mehrheit an. Die Tendenz ist seit Jahresbeginn eindeutig: Die Zahl der SkeptikerInnen wächst, die der BefürworterInnen sinkt. 51 zu 37 Prozent lauten aktuelle Zahlen. Im Herbst letzten Jahres veranlasste eine bequeme Ja-Mehrheit Göran Persson die Ausschreibung einer Volksabstimmung zu wagen.

Dass die Zahl der ZweiflerInnen seither gewachsen ist, hat viele Gründe. Schwedens Wirtschaft hat sich weit besser entwickelt als die innerhalb der Euro-Zone, die Währung ist stabil wie selten und vermeldete gerade in dieser Woche ein historisches Hoch im Verhältnis zum Dollar. Vier Jahre außerhalb der Europäischen Währungszone waren nicht nachteilig, warum also die Spur wechseln? Vor allem hat aber offenbar das Beispiel Deutschland erschreckt. In den Medien häufen sich die Analysen, welche die aktuellen Probleme der deutschen Wirtschaft auf die gemeinsame Währung zurückführen. Auch Schweden drohe ein falscher, nämlich zu hoher Euro-Eintrittskurs und danach der Verlust der Möglichkeit, über eine eigenständige Zins- und Finanzpolitik strukturellen und konjunkturellen Problemen effektiv begegnen zu können.

Die Ja-Seite hatte es bislang schwer, anders als mit dem Versprechen praktischer Vorteile und dem Hinweis darauf, dass der Euro politisch ein sinnvolles Projekt sei, Gehör zu finden. Was in letzter Zeit gleich mehrere prominente Debattierende dazu veranlasste, ihre Euro-Meinung öffentlich von einem Ja zu einem Nein zu revidieren – vom führenden Wirtschaftsexperten des Gewerkschaftsdachverbands, Per-Olof Edin, bis zur Exparlamentspräsidentin Birgitta Dahl.

Was vor allem als linke Skepsis gegen den Euro begann, geht mittlerweile quer durch alle Parteien. Meinungsumfragen signalisieren derzeit eher einen Nein-Zuwachs von rechts, doch Göran Persson störte sich bei seinen jüngsten Ausfällen offenbar besonders daran, dass die innerparteiliche Nein-Basis sich immer erfolgreicher zu Wort meldet. Im letzten Jahr hatte eine Parteitagsmehrheit einen Euro-Eintritt befürwortet, gleichzeitig aber dem starken Nein-Flügel in der Partei Handlungsfreiheit versprochen. Ja- und Nein-Seite wurden für ihre Kampagnen finanziell gleichmäßig ausgestattet. Auch der Regierungschef gab sich bislang großzügig und nahm auch ohne Bedenken ausgewiesene Nein-SagerInnen, wie Wirtschaftsminister Leif Pagrotsky und Kulturministerin Marita Ulvskog in seine Regierungsmannschaft auf – um jetzt offenbar stellvertretend für diese deren Staatsekretärinnen Lotta Fogde und Gunilla Thorgren mit Rausschmiss zu drohen, sollten sie sich noch weiter in der Nein-Bewegung engagieren.

In den Medien wird spekuliert, dass Göran Perssons „stalinistische Allüren“ mit seiner Zukunftsplanung zu tun haben. Er gelte in Brüssel als ernsthafter Kandidat für das neue Amt eines EU-Präsidenten, den auch die skeptischen „Kleinen“ akzeptieren würden. Ein Euro-Nein würde diese Träume zunichte machen.