Selbstenthauptung als Ausweg

Der PDS-Vorstand berät heute, ob er zurücktritt. Lothar Bisky, der als Alternative zu Parteichefin Zimmer im Gespräch ist, schweigt noch. Roland Claus schreibt Brandpapier

Claus: Kaum jemand interessiert, dass die PDS nicht mehr im Bundestag sitzt

BERLIN dpa/ap/taz ■ Heute Abend sollen auf Vorschlag der Parteichefin Gabi Zimmer bei der PDS zwanzig Köpfe rollen. Ihr eigener inklusive. Um die Führungskrise der Sozialisten zu überwinden, hatte Zimmer nach einem Treffen mit PDS-Landesvertretern den Bundesvorstand der Partei aufgefordert, geschlossen zurückzutreten. Diese kollektive Selbstenthauptung wäre der vorläufige Höhepunkt dessen, was der ehemalige Chef der Bundestagsfraktion, Roland Claus, nach dem Geraer Parteitag die „Afghanisierung der PDS“ genannt hatte. Auf einem Sonderparteitag, der nach Willen der Reformer und Zimmers noch vor der Sommerpause stattfindet, könnte dann ein neuer Vorstand gewählt werden. Bundesgeschäftsführer Uwe Hiksch hat in der Chemnitzer Freien Presse Widerstand gegen diesen Plan angekündigt.

Was bei dem parteiinternen Streit für die PDS auf dem Spiel steht, hat vor ein paar Tagen Roland Claus in einem Papier zusammengestellt, das der Tagesspiegel gestern veröffentlichte. „Kaum jemand interessiert, dass die PDS nicht mehr im Bundestag sitzt“, heißt es darin. Selbst das Kabarett habe die Partei ausgeblendet. In der jetzigen Situation sei „interne Abrüstung“ nötig. „Attraktiv für andere sind wir nur dann, wenn wir den Zustand eines zerstrittenen Haufens überwinden“, geht es weiter. Dass die Claus-Zeilen von einigen als „Strategiepapier“ bewertet werden, sagt mehr über den Zustand der PDS als über den Text. Tatsache ist, dass die PDS seit geraumer Zeit nur noch mit sich selbst beschäftigt ist. Und zwar zu einer Zeit, da die rot-grüne Regierung einer Partei, die gern eine soziale Alternative wäre, eine Steilvorlage nach der anderen zuspielt.

Unter welcher Führung aber könnte die PDS dieser Rolle ausfüllen? Um diese Frage dreht sich munter das Gerüchtekarussell. Aus dem Berliner Landesverband ist zu hören, der Neuanfang der PDS könne durch die Wahl junger, unverbrauchter Kräfte dokumentiert werden. Aber es werden auch altbekannte Namen ins Spiel gebracht: So bestätigt der heutige PDS-Fraktionschef im Potsdamer Landtag, Lothar Bisky, dem Spiegel, es gebe Kräfte, die ihn an der Spitze sehen wollten. Wenn nicht in der Rolle des Parteichefs, dann vielleicht als Aufseher über die Umstrukturierung, wird gemutmaßt. Gabi Zimmer hatte offen gelassen, ob sie noch einmal antreten werde. Ihre Aussage, sie stehe zur Verfügung, wenn die Mannschaft stimme, hat sie inzwischen zurückgezogen.

Die verfahrene Situation geht auf ihr Konto. Beim Geraer Parteitag hatte Zimmer auf jene Geister gesetzt, die sie jetzt gern loswürde. Ihr derzeitiger Stellvertreter Diether Dehm und Uwe Hiksch hatten ihr damals die nötige Parteitagsmehrheit organisiert. Die beiden ehemaligen Sozialdemokraten sind die Linksdogmatiker im PDS-Bundesvorstand. Jetzt lösten sie die Parteikrise aus, indem sie wieder eine Mehrheit zusammenbrachten. Diesmal gegen ein Positionspapier der Parteichefin zu Kanzler Gerhard Schröders Sozialreformen. Hiksch und Dehm wollten das Papier nicht einmal beraten. Für dieses Verhalten wurde PDS-intern inzwischen das alte Wort Sektierertum wiederbelebt.

Schon das Treffen mit jenen Landesverbänden, die in Regierungskoalitionen mitarbeiten und zum Reformflügel zählen, machte es deutlich: Zimmers Hausmacht ist dahin. Selbst Landesverbände, die sie gestützt hatten, reden offen dem Sonderparteitag das Wort. Wie Bundesvize Peter Porsch sprach sich die sächsische Landesvorsitzende Cornelia Ernst am Wochenende dafür aus. Auch in Thüringen, Zimmers Heimat, vermisst man „Führungsstärke“. MAB