Zukunft im Fischglas

111 Jugendliche aus Europa erarbeiteten auf dem 3. European Fishbowl in Düsseldorf die Zukunft der EU. Überprüft werden ihre Ideen erst 2014

VON HARALD SCHÖNFELDER

„Wir interessieren uns dafür, denn das ist unsere Zukunft.“ Claudia Gasch aus Polen spricht von der Europäischen Union. Keine Rede von Bürokratie, Geldverschwendung, politischem Abstellgleis. Sie ist eine von 111 Jugendlichen, die sich in der letzten Woche im Düsseldorfer Landtag trafen. Für alle steht die Union für Aufbruch, Chancen und Zukunft. Doch über die weitere Entwicklung der EU kann nur spekuliert werden. Beim European Fishbowl, dem 3. Jugendkonvent zur Zukunft der EU, sollte das wenigstens auf einer solide Basis passieren. Für drei Tage luden die Landeszentrale für politische Bildung und das Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) der Uni München zusammen mit weiteren Forschungsanstalten Jugendliche aus NRW, Polen, Belgien, Frankreich und den Niederlanden ins verschneite Düsseldorf ein.

In Workshops sollten sie Szenarien für ein Europa im Jahr 2014 entwickeln. Und die unterscheiden sich beträchtlich. Prognosen für wirtschaftlicher Zerfall, hohe Arbeitslosigkeit und schlechte Bildung ergeben das eine Extrem, eine gesunde politische Union mit beispielhafter Demokratie das andere. Steffen Meinert, wissenschaftlicher Mitarbeiter am CAP: „Es besteht eine gewisse Unsicherheit, wo die Reise hingeht.“ Die Veränderungen sorgten für Ängste darüber, wie sich die Arbeitswelt entwickele und welche Werte noch zählten. Unter einer sehr dünnen Decke aus Coolness träte diese Unsicherheit auf den Schulhöfen zu Tage. Das spielte bei der Fishbowl keine Rolle. Der Umgang dieser Jugendlichen mit Europa ist rational. „Wir haben diskutiert, dass man Chancen in Europa hat“, sagt Nabil Zeridouh. Alle versuchten, die eigenen Chancen auszuwerten.

Nabil könnte ein typischer Europäer mit optimistischer Zukunft sein. Der Marokkaner hat eine Zeit lang in Frankreich gelebt. Nun wohnt der 21jährige in Nordrhein-Westfalen. Mobilität heißt für seine Generation nicht mehr die Wahl zwischen Köln oder Dortmund, sondern die zwischen Köln und Marseille oder Warschau. Doch ob Europa damit auf dem Weg zu einer multikulturellen Gesellschaft ist, sehen die Jugendlichen eher skeptisch.

Erst wenn die neue Verfassung durchkomme, würde die Idee von einem gemeinsamen Staat viel wahrscheinlicher. „Ich glaube aber, es wird eher auf einen Verbund hinauslaufen“, meint Nabil. Christian Mungu, dessen Eltern aus dem Kongo nach Deutschland gekommen sind, stimmt zu: „Ich glaube, dass sich Europa weiter vergrößern wird.“ Dass es ein Schmelztiegel wie in den USA sein wird, glaube er, wegen den vielen verschiedenen Sprachen, nicht. Doch auch dafür haben viele, der in Düsseldorf erarbeiteten Szenarien eine Lösung parat: Englisch sei die Verkehrssprache der Zukunft.

Was von den Ergebnissen der Jugendlichen Realität werden wird, ist offen. Fishbowl soll helfen, die heutigen Ideen in zehn Jahren auszuwerten.

Hinter dem Namen steckt ein Goldfischglas. Das wurde in der Landeshauptstadt erst schnöde unterm Arm getragen, dann vom konservativen Europaabgeordneten Elmar Brok (CDU) fröhlich vor die Kamera gehalten. Im Glas liegen die Szenarien und die Protokolle der Jugendlichen von den Diskussionen mit Politikern. Das Glas wurde am Freitag dem Europaparlament übergeben. Dort erfüllt es seine Rolle als Zeitkapsel.

Erst nach der Europawahl 2014 soll der Inhalt gelesen werden. Dann wird sich herausgestellt haben, ob Nabil Recht behält: „Europa ist eine Schüssel mit Salat – Wir sind alle verschieden, aber zusammen ergänzen wir uns und erreichen einen klasse Geschmack.“