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: Wie ein wilder Stier

Unsere Sprache weiß, dass der Mensch ein Tier ist. Wir sagen etwa, jemand habe Kuhaugen, oder eine Adlernase oder gleich eine Vogelvisage. Oder wir sagen, dass er ein Aasgeier sei, eine Schlange oder ein Schwein. Wenn er schimpft, dann tut er das wie ein Rohrspatz, wenn er mal bockt, ist er stur wie ein Ochs’, und wenn sich ausnahmsweise zwei Menschen ganz besonders mögen, subsumiert sie unsere Sprache unter die Gattung der Turteltauben.

Der umgekehrte Fall, dass also ein Tier menschliche Attribute annimmt, ist ungleich seltener: Wen erinnern schon die fiependen Töne, mit denen sich die Türen der S-Bahnen schließen, an den Ruf eines, sagen wir mal: Sperlings? Verfänglicher ist diese Richtung ohnehin: Wer einem Fuchs Bauernschläue attestiert, wird schnell als Schafskopf abqualifiziert.

Umso größer war mein Respekt vor einer jungen Dame, die sich neulich am Zaun des Wildgeheges echauffierte. „Dummer Macho“, knurrte sie, als ein Hirsch seinen Kopf in den Nacken warf und tief aus der Brust einen langen, grollenden, drohenden Ton stieß. „Und der Harem hat es natürlich gehört“, kommentierte sie bissig, als die Rehe von den Kastanien der Kinder abließen, um wie auf hochhackigen Schuhen schlank und schlaksig dem röhrenden Platzhirsch entgegen zu stelzen. Als der sein Geweih senkte und die Gerufenen sogleich wieder fortjagte, war die Frau außer sich. Um nicht zu sagen: wütend wie ein Stier. MAXIMILIAN PROBST