Schwankender Grund

Sperriger Text mit einer Prise Homer: Albert Ostermaiers „Auf Sand“ am Thalia in der Gaußstraße uraufgeführt

Dieser Sandstrand ist kein Erholungsbiotop. Er klebt schwarz, wie von ausgelaufenem Öl. Erinnert eher an Umweltkatastrophen als an das Paradies. Paradiesisch ist auch die Beziehung nicht mehr, die hier verhandelt wird. Es scheint, als hätte Jungautor Albert Ostermaier für Auf Sand, das jetzt am Thalia in der Gaußstraße uraufgeführt wurde, nächtelang sein mythologisches Lexikon befragt und dann aus Versatzstücken der Gegenwart, Kriegsgelüsten selbst ernannter westlicher Freiheitskämpfer und gefühlsverwirrten Paaren einen sperrigen Text gezimmert.

In Martin Kusej hat er zum Glück einen Regisseur gefunden, der die Uraufführung mit größtmöglicher Kraft auf die Bühne zauberte: Zu zweit zu sein war schon immer anstrengend und brüchig. Das ist nicht erst seit Homers Iliade so. Denn Susanne Wolff als Frau und Karoline Eichhorn als Mann ergeht es im 21. Jahrhundert nicht besser. Sie verkörpern ein Paar, das sich nach Erholung sehnt und sich doch wie „durch den Sand geschleift“ fühlt. Erschöpft liegen sie da und warten auf ein Schiff für die Heimkehr, doch das wird niemals kommen. Stattdessen tritt ein in schwarz gewandeter Christoph Bantzer auf. Mal ist er der böse Dritte, der in die Beziehung der Urlaubenden eingreift, dann wieder der Krieger Achill, der todesmutig, aber zumindest an einer Stelle verwundbar ist. Er weiß, dass der nächste Kampf sein letzter sein wird. Parallel wird er zum Zeugen der Krise zwischen Zeus und Hera, deren Ehekrach den Trojanischen Krieg mit anzettelte. Und hier gerät der ostermaiersche Transfair doch etwas gewagt: „Die Liebe hält einen Tag, der Rest ist Erinnern, Tod und Schmerz“, klagt Karoline Eichhorn. Sie – losgelöst aus der Geschlechterrolle – ist der zutiefst Verletzte, von Susanne Wolff Betrogene. Dann spricht sie plötzlich Hector. Susanne Wolff wiederum will sich nicht „opfern für die Liebe“. Und mutiert jäh zur Amazone Andromache. Beide ringen mit sich und der Möglichkeit des Todes: Mal schwimmt Susanne Wolff zu weit raus, mal äußert Karoline Eichhorn Mordgedanken. In einem fragwürdigen Epilog treten alle drei noch einmal als Horror-Touristen mit Bauchansatz und Brusthaartoupet auf. Trotz grandioser Schauspieler und konzentrierter Regie hinterlässt der Abend die eher mühsame Erkenntnis, dass das Sandkorn das einzig Unverwüstbare zu sein scheint. Caroline Mansfeld

Weitere Vorstellungen: 15.+17. 5., 21 Uhr, Thalia in der Gaußstraße