berliner szenen Curryteller, Softeis, Pinsel

Leere in Tegel

Der Bezirk Tegel hat mehr zu bieten als nur den Flughafen. Zum Beispiel gibt es dort den Tegeler See. Auswärtigen ist dieses Gewässer vor allem durch die am Ufer befindliche Seniorengaststätte „Tegeler Seeterassen“ bekannt. Wer jemals die seltsamen Tonkrüge gesehen hat, die die Betreiber in ihre Panoramafenster gestellt haben, wird diesen Namen wohl niemals vergessen.

Entlang der Uferpromenade bietet die Tegeler Küche Softeis oder den „Curryteller“. Letzterer umfasst eine in Teig eingebackene Currywurst, Ketchup und zwei verschiedene Kartoffelsalatmajonäsen. Auch sonst muss man nichts beschönigen: Die Menschen in Tegel sind ähnlich pragmatisch wie ihre Speisen. Die Unterhaltungen drehen sich um Krankheiten und wann der Bus kommt. Mütter zeigen ihren Kleinkindern die Baustellen des Bezirks. Jugendliche küssen sich im Park. Der See liegt still da.

Was noch? Mitten im Tegeler Forst steht der höchste Baum Berlins. Um ihn herum herrscht Frühling. Betrunkene alte Männer fahren Fahrrad. So wie die Menschen jetzt wieder in den Wald radeln und ihren Gewohnheiten nachgehen, funktioniert es auch umgekehrt: Die Tiere verlassen ihren natürlichen Lebensraum und kommen auf Besuch in die Stadt.

An diesem Montag waren vier erwachsene Wildschweine mit 24 Frischlingen auf den Tegeler Straßen unterwegs. Grünanlagen wurden durchwühlt, Passanten flüchteten sich ängstlich in ihre Autos. Sonst passiert wenig in diesem Bezirk. Das Strandbad ist noch geschlossen, die Ferienanlage verlassen. Eine schöne, leere Ruhe. Zwischen den Sträuchern stehen verwahrloste Wildschweine. Ihr Fell sieht aus wie die Haare von einem sehr alten, sehr struppigen Pinsel.

KIRSTEN KÜPPERS