Gestalten statt verwalten

Nach 21 Jahren Amtszeit zieht die Beauftragte für Migrations- und Integrationspolitik positive Bilanz. Nachholbedarf gebe es bei der Sprachförderung und der Öffnung des Arbeitsmarkts für Migranten

von SUSANNE LANG

Von Abschied war wenig zu spüren, als Barbara John gestern vor die Mikrofone der Journalisten trat. Ende Mai wird sie ihr Amt der Migrations- und Integrationsbeauftragten des Senats von Berlin abgeben – nach gut 21 Jahren nicht nur als Dienstälteste, sondern auch als bundesweit Erste, die dieses Amt innehatte. Nun also noch einmal ein Gespräch: Bilanz ihrer Arbeit und Amtsführung ziehen und Ausblick auf die Weiterführung geben.

Das war der Anspruch, und Barbara John hätte ihn fast nicht besser mit Inhalt füllen können als mit einer aktuellen politischen Forderung, die sie gegen Ende stellte: „Wir brauchen eine Rückkehrförderung für die Iraker, die nun nach dem Ende der Diktatur in ihre Heimat zurückkehren möchten.“ Gut 2.000 Iraker leben mittlerweile in Berlin, viele gehören laut John der Mittelschicht an, Ingenieure etwa, die dringend für den Wiederaufbau ihres Landes gebraucht würden. Mit dieser Forderung war John wieder einmal die Erste, die das Problem bundesweit auf die politische Tagesordnung brachte. Der entsprechende Brief liege dem Innenministerium vor, so John. In Berlin will sie sich für eine schnellere Lösung stark machen.

Dass ihre Dienststelle, die Richard von Weizsäcker 1981 eingerichtet hatte, vielleicht wieder einmal richtungweisende Impulse für Bundesregelungen geben wird, zählt zu den wichtigsten Punkten auf Johns Bilanzliste: sich zum „Modell für innovative Ansätze in der Integrationspolitik“ entwickelt zu haben, „national und international“, eine „Vorreiterrolle“ eingenommen zu haben.

Ihre Liste an Beispielen für diese Rolle umfasst insgesamt 14 Bereiche. Zu den wichtigsten zählen Johns Förderung von Projekten und Selbsthilfegruppen, die die Integration von Migranten unterstützen und als Ratgeber oder Vermittler tätig sind, sowie der Aufbau einer strukturellen Rechts- und Sozialberatung. Über dieses „bedeutende Standbein“, so John, könne jeder Bürger und jede Bürgerin erreicht werden. Seit 1982 haben mehr als eine halbe Million Menschen das Amt besucht, ein Drittel davon die Beratungsstelle. Beratungsbedarf gab es vor allem in Fragen zum Aufenthaltsrecht sowie zum Familiennachzug und zum Einreiseverfahren.

Dass Barbara Johns Bilanz positiv ausfiel, führt die Beauftragte auch auf die Kontinuität zurück, mit der sie das Amt über lange Zeiträume führen konnte. „Ich bin oft auf starke Widerstände gestoßen“, sagte John, „aber auch trotz der wechselnden Stadtregierungen habe ich versucht, meinen Kurs beharrlich zu halten.“ Ihren Kurs, damit meint die ehemalige Lehrerin und spätere Hochschulassistentin für Deutsch als Fremdsprache ihren Ansatz, das Amt nicht als Behörde, sondern als offene Anlaufstelle sowohl für Migranten wie für Deutsche zu präsentieren. „Ich habe mich nie als Verwalterin, sondern immer als Gestalterin gesehen“, so John.

Einen Wermutstropfen allerdings hatte John als geschluckt zu vermelden: Versäumnisse in der Sprachförderung, sowohl ihrer als auch anderer Behörden. „Wir hätten schon in den 80er-Jahren frühere und höhere Anforderungen stellen müssen.“ Aber dafür wird sich John nach ihrer Amtszeit stark machen, als federführende Hand bei der Einrichtung eines Lernkompetenzzentrums für Deutsch als Zweitsprache. Ein Grund dafür, dass es keinen Grund zur Abschiedsstimmung gab.

Den Prozess der Integration als grundsätzlich gescheitert zu bezeichnen, wie es zuletzt von verschiedenen Seiten zu hören war, dagegen wehrt sich die Migrations- und Integrationsbeauftragte – obwohl sie nach 21 Jahren Amtszeit eines gelernt habe: „Integration ist eine Jahrhundertaufgabe.“ Deshalb kritisierte sie auch den harten Sparkurs des rot-roten Senats. „Sparen an Integrationskonzepten ist fehl am Platz.“ Arbeit und Bildung seien die wesentlichen Faktoren für gelingende Integration, so John. Daher forderte sie grundlegende Reformen im Arbeitsrecht, mehr Arbeitsplätze für Zuwanderer und mehr Schulabschlüsse für Schüler mit Migrationshintergrund.