Kein Müller-so-und-so mehr

Reformstau und Dosenpfand werden wieder in Praxen und Kanzleien beklagt: Die FDP verabschiedet sich aus dem Parlament. Außer ihr selbst bedauert das niemand

Hamburg taz ■ Es gilt Abschied zu nehmen. Nie wieder wird der FDP-Abgeordnete Wieland Schinnenburg am Rednerpult mit geschwellter Brust von 44 Jahren SPD-Misswirtschaft sprechen können, in Reihe eins der Bürgerschaft wird kein Laptop mehr aufgeklappt, kein Fraktionsvorsitzender wird mit ausladenden Beifallsbekundungen der Hände mehr die Nebenleute penetrieren. Nie wieder wird wasserdichte Selbstsicherheit der Regierenden mit der FDP assoziiert werden. Die FreidemokratInnen sind weg vom Fenster, Bedauern gibt es nicht.

Zweieinhalb Jahre lang hat die FDP-Fraktion in der Bürgerschaft den Platzhalter in der Mitte vorn im Saal abgegeben. Bis auf die Tatsache, dass die Debatten durch so genannte Redebeiträge der Schraders, Paulys, Woestmeyers unnötig in die Länge gezogen wurden, hat diese Fraktion nicht arg viel zur politischen Kultur des Hauses beigetragen. Immerhin hat sie dafür gesorgt, dass das Parlament vier Tage vor der Wahl noch einmal zusammentreten musste, weil es die FDP so wollte. Die Fraktion hatte schließlich das wichtige landespolitische Thema „Schluss mit dem Abgaben-Poker in Berlin“ zur Debatte angemeldet.

Geholfen hat es ihr nichts. Auch nicht das mediale Sendungsbewusstsein des Fraktionschefs Müller-Sönksen, der von anderen RednerInnen gern lediglich als „Herr Müller-so-undso“ oder „Müller-Söhnlein“ tituliert wurde, was seinem Auftreten gutteils entsprach.

Die Fraktion der Zahnärzte und Anwälte kann sich jetzt wieder in ihre Praxen und Kanzleien zurückziehen und dort wehrlose PatientInnen im Behandlungsstuhl oder MandantInnen mit ihren Tiraden über Praxisgebühr und Dosenpfand belästigen.

Es ist bestimmt unhanseatisch, einer Fraktion nachzutreten, die gerade erst ihr Desaster erlebt hat. Egal. Sie hat uns Lebenszeit geraubt. peter ahrens