Hamburg einig Ole-Stadt

Die CDU gewinnt überall: Bei Alten und Jungen, Frauen und Männern, Sozis und Schillianern. Während der SPD überall die Felle davonschwimmen, kann die GAL ihre Hochburgen festigen

Ole von Beust konnte Hochburgen festigen, aber auch in eher CDU-ferne Wählerschichten vordringen

von Marco Carini

Es ist wie beim Wettlauf von Hase und Igel. Überall wo Mirow hinjagt – Ole ist schon da. Kein Milieu, keine Altersgruppe, kein Bildungsniveau, kein Geschlecht, bei dem die CDU und ihr Spitzenkandidat bei der Bürgerschaftswahl nicht vorne liegen. Hochburgen konnten gefestigt werden, doch auch eher CDU-ferne Bevölkerungsgruppen wurden von den christdemokratischen Wahlsiegern im Sturm erobert. Ole von Beust ist in Hamburg – das belegen die Wahlanalysen – tatsächlich everybodys Darling.

Um 165.500 Stimmen konnte die CDU im Vergleich zu den letzten Bürgerschaftswahlen zulegen – und das trotz deutlich geringerer Wahlbeteiligung. Genau die Hälfte dieser Neustimmen strich von Beust laut Wählerwanderungsbilanz bei ehemaligen Schill-Wählern ein, noch einmal 13.000 bei den Liberalen. Damit gelang es von Beust in historisch beispielloser Form, seine politischen Partner, die ihn 2001 erst an die Regierung gebracht hatten, auszusaugen und anschließend zu entsorgen. Richter Ronald Schill und Konteradmiral Rudolf Lange (FDP) wurden rechtzeitig vor der Wahl ausgebootet, ihre Parteien weit unter die Fünf-Prozent-Hürde gedrückt, fast 100.000 Stimmen auf das Konto der Christdemokraten umgebucht.

Weitere 35.000 Stimmen nahm die CDU den Sozialdemokraten ab, von denen viele Ole von Beust ihrem eigenen Kandidaten Thomas Mirow als Bürgermeister vorzogen. Erstaunlich: Die Aussicht auf eine absolute CDU-Mehrheit trieb das konservative Wählerpotenzial gegen den Trend in Scharen an die Wahlurnen. Allein 20.000 vormalige NichtwählerInnen machten diesmal ihr Kreuz bei den Christdemokraten. Während in den sozial benachteiligten Stadtteilen die ohnehin geringe Wahlbeteiligung noch einmal kräftig absackte, blieb sie in den „besseren“ Wohnvierteln, den CDU-Hochburgen, nahezu konstant.

Doch Ole von Beust konnte auch in den ärmeren Vierteln punkten. Erstmals liegen die Christdemokraten auch in den Wohnlagen mit besonders hohem Anteil von Sozialhilfeempfängern und niedrigem Durchschnittseinkommen knapp vor der SPD.

Auch bei der Altersstruktur der WählerInnen bestätigt sich der Hase-und-Igel-Trend: Nach wie vor neigen vor allem die älteren Hamburger zur CDU; fast 60 Prozent aller über 60-Jährigen machten ihr Kreuz bei Ole & Co. Damit stammt jede zweite CDU-Stimme aus dieser Altersgruppe. Doch das Image der reinen Rentnerpartei will auf die Hamburger CDU des Jahres 2004 trotzdem nicht passen: Erstmals hat sie auch bei den Jungwählern unter 25 Jahren die Nase vorn. In den neunziger Jahren war sie bei den jüngeren Wahlberechtigten zum Teil nur auf Platz drei gelandet, hinter SPD und Grün-Alternativer Liste (GAL).

Besonders von den Frauen wird von Beust offenbar geschätzt: Wie schon 2001 machten sie ihr Kreuz öfter hinter der CDU als die männlichen Wähler. Crista Goetsch, Frontfrau der Grünen, hingegen kommt bei Männern offenbar besser an. Ihre Hochburgen konnte die GAL weiter ausbauen: In den Stadtteilen St. Georg, St. Pauli, Altona und Ottensen legte sie am kräftigsten zu. Hier errang die CDU ihre geringsten Zuwächse.

Ihr Plus von rund 28.000 Stimmen schneidet die GAL zur Hälfte aus dem Fleisch der SPD. Mehr als 20.000 Wähler schwenkten diesmal von rot nach grün über, nur gut 7.500 Wahlberechtigte gingen den umgekehrten Weg.

Die SPD konnte lediglich von der Partei Rechtsstaatlicher Offensive 9.500 Stimmen zurückgewinnen und damit ein Viertel der Wähler wieder an sich binden, die ihr vor zweieinhalb Jahren in Richtung Schill davongelaufen waren. Die Verluste an die CDU (35.000 Stimmen), die GAL (13.000), Schills neue Partei „Pro DM“ (2.500) und die Nichtwähler (12.500) konnte dieser geringe Zuwachs jedoch nicht kompensieren. Dabei verlor die SPD in den gutsituierten Wohngegenden mit hohem Steueraufkommen und hohem Bildungsniveau stärker als in den unterprivilegierten Stadtvierteln.

In seiner Wahlanalyse kommt das Statistische Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein zu dem Schluss, dass das Hamburger Wahlergebnis anders als bei früheren Bürgerschaftswahlen weitgehend der politischen Großwetterlage der Republik entspricht. Das momentane bundesweite Wählerpotenzial, das bei der CDU rund 48 Prozent und bei der SPD etwa 29 Prozent ausmacht, entspricht fast punktgenau dem Hamburger Wahlergebnis. Erstmals in der Hamburger Nachkriegsgeschichte konnten die Christdemokraten im traditionell roten Hamburg damit ihren Bundeswert nahezu erreichen, während der traditionelle Hansestadt-Bonus der SPD auf ein mageres Prozentpünktlein zusammengeschmolzen ist.

Überall abwärts ging es auch mit dem Regenbogen: Die linke Wählervereinigung hat ihre Hochburgen zwar weiterhin in den urbanen Bezirken Mitte, Altona und Eimsbüttel, musste aber auch hier kräftig Federn lassen und kam nirgens über zwei Prozent. Lediglich bei den Bezirksversammlungswahlen lag die linke Wahlalternative durchweg ein paar Promille höher.