ENDLICH MERKT‘S AUCH EIN REKTOR: AN DEUTSCHEN UNIS FEHLEN FRAUEN
: Unrevolutionär gegen das Unbewusste

Wenn sich eine ganze Hochschulrektorenkonferenz nur mit dem Thema Frauen in der Wissenschaft beschäftigt, dann kann es sich nur a) um eine langweilige Jahrestagung ohne Beschlüsse oder b) um den freundlichen und folgenlosen Abschiedsgruß eines scheidenden HRK-Präsidenten handeln. Stimmt’s?

Nicht ganz. Es ist vielmehr so, dass Klaus Landfried etwas begriffen hat. Frauen scheinen doch als SpitzenwissenschaftlerInnen geeignet zu sein, sonst bevölkerten sie nicht in steigender Zahl internationale Tagungen. Die deutschen Unis aber leisten sich eine klägliche Quote von elf Prozent Frauen unter den ProfessorInnen – weit unter dem internationalen Durchschnitt. Das wirkt nicht nur hinterwäldlerisch, sondern hat ernste Auswirkungen: Wenn man seinen Bewerberpool für die Bestenauslese um die Hälfte verkleinert, ist man auf absehbare Zeit nicht mehr konkurrenzfähig.

Es liegt übrigens nicht nur an der Kinderfrage oder an weiblicher Schüchternheit, wenn Frauen keine höheren Weihen zuteil werden. Es liegt auch an der unbewussten Erwartung potenzieller – männlicher – Förderer. Eine berühmte Studie über Begutachtungskriterien für Forschungsanträge zeigt, dass Frauen für die gleiche Einstufung wie Männer mehr als doppelt so viele Veröffentlichungen vorweisen müssen. Da hilft ein Bulmahn’sches Sonderprogramm nur bedingt weiter.

Umso höher ist es einzuschätzen, dass ein Mann mit Einfluss diese Einsichten transportiert. Zwar scheidet er aus dem Amt, doch er hinterlässt einen Arbeitsauftrag: Kinderbetreuung an allen Hochschulen, Arbeitszeitkonten für ProfessorInnen, ein unabhängiges Gremium, das Besetzungen begutachtet. Das sind keine schlechten Ansätze. Wenn auch selbstverständlich gänzlich unrevolutionär.

Revolutionär wäre es, die Hochschulförderung an den Frauenanteil unter Wissenschaftlern zu koppeln, wie es teilweise in den USA geschieht. Aber wir sind ja nicht in den USA. Die deutschen Hochschulrektoren hat Herr Landfried auch so schon aus der Fassung gebracht. Gut so.

HEIDE OESTREICH