Resignation im Reich von Mugabe

Während Simbabwe immer weiter in die Krise schlittert und der Zusammenbruch der Wirtschaft sich beschleunigt, suchen sich die Bürger Fluchtwege: ins Ausland – oder in die Religion. Präsident Mugabe ist derweil vom Erfolg seines Wirkens überzeugt

aus Harare GODFREY KARORO

In den Bars ertönt Rumba aus dem Kongo, in Nachtklubs tanzt die Jugend zu HipHop aus den USA. So gestaltete sich die Kneipenszene von Harare noch vor drei Jahren. Heute sind die musikalischen Bestseller der simbabwischen Hauptstadt Gospelmusik und religiöse Gesänge. In Schulen und Hallen und unter Bäumen zelebrieren frisch entstandene Pfingstkirchen ihre Gottesdienste, und Kinosäle werden zu Gebetsräumen.

„Wenn die Menschen sich massenhaft der Religion zuwenden, ist das ein Zeichen dafür, dass sie leiden“, sagt der Geschäftsführer einer Staatsfirma, der genau verfolgt, wie sich Simbabwes Wirtschaft verändert: Steil steigt die Nachfrage für Musikinstrumente, und die Tonstudios kommen dem Wunsch nach Gospelliedern kaum nach. „Um Simbabwe zu retten, brauchen wir eine Intervention Gottes“, fasst der Geschäftsführer die Stimmung zusammen.

80 Prozent der 11,6 Millionen Einwohner Simbabwes sind heute ärmer als 1980, als das Land unter Robert Mugabe unabhängig wurde. Seit Jahren ist die Wirtschaft in freiem Fall: 2000 lag das Wirtschaftswachstum bei –4,7 Prozent, ein Jahr später bei –7,3 Prozent und vergangenes Jahr bei –11,9. Für dieses Jahr werden –15 Prozent erwartet.

Dieser ökonomische Zusammenbruch trifft nicht alle Simbabwer. Die Anzahl von Mercedes- und BMW-Autos pro Kopf ist höher als irgendwo sonst auf der Welt außer in Deutschland. Reiche Politiker und Geschäftsleute und natürlich die Führer der neuen Kirchen bauen sich dreistöckige Villen, während wenige Kilometer weiter die Armen in Plastikhütten hausen.

Dennoch ist der mittlerweile 79 Jahre alte Präsident Mugabe davon überzeugt, dass die Simbabwer glücklich sind. „Die Mehrheit der Menschen sind glücklich“, erzählte er den Bürgern kürzlich zum 23. Unabhängigkeitstag. Wirbelstürme und Dürren seien für die Probleme des Landes verantwortlich. „Davon werden wir ab und zu heimgesucht, aber unsere Pläne haben wir sehr gut erfüllt. In manchen Sektoren gab es Fluktuationen, besonders in der Industrie, im Bergbau und der Landwirtschaft, wegen jahreszeitlicher Schwankungen, die wir nicht kontrollieren können.“

Für „Schwankungen“ sind die Zerfallserscheinungen der Wirtschaft allerdings erstaunlich konstant. Der zweitgrößte Tabakproduzent der Welt nach Brasilien hat seine Tabakeinnahmen zwischen 2001 und 2002 von umgerechnet 600 auf 400 Millionen Euro schrumpfen lassen – Ergebnis der verbreiteten Landbeschlagnahmungen. Die Getreide- und Maisernten liegen nach der chaotischen „Landreform“ der letzten Jahre weit unter dem Bedarf, sodass Anfang 2003 acht Millionen Simbabwer – 70 Prozent der Bevölkerung – auf internationale Lebensmittelhilfe angewiesen waren. Inzwischen hat die Regierung den Ankaufspreis für Mais um 500 Prozent angehoben, aber die Kleinbauern ernten kaum genug für den Eigenbedarf, und die kommerzielle Produktion fällt wegen der „Landreform“ weitgehend aus.

Neben ausbleibenden Deviseneinnahmen – auch der Tourismus ist nahezu komplett verschwunden – gibt es kaum noch Zuschüsse von multilateralen Geberinstitutionen. So hat die Regierung kein Geld: Die staatlichen Haushaltsdefizite lagen 2000 bei 22,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, 2001 bei 16,5 Prozent und 2002 bei 14,1 Prozent. Importe kann sich das Land kaum noch leisten, sodass Benzin, Saatgüter, Medikamente und Grundnahrungsmittel immer seltener und teurer werden. Bildungs- und Gesundheitswesen verelenden, während 3.000 Menschen jede Woche an Aids sterben.

Die Arbeitslosigkeit in Simbabwe liegt heute bei 70 Prozent. Bis Ende Mai könnte auch Simbabwes Strom abgeschaltet werden – der kommt von Wasserkraftwerken in Südafrika, Mosambik, Sambia und der Demokratischen Republik Kongo, und die wollen bis Monatsende Geld sehen. Benzinverträge mit Libyen und Kuwait sind wegen unbezahlter Rechnungen gekündigt worden.

Die „glücklichen“ Simbabwe reagieren auf ihre Weise. Als die Benzinpreise vor einigen Wochen verdreifacht wurden, was zu Erhöhungen der Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr von bis zu 95 Prozent führte, reagierte der Gewerkschaftsdachverband mit einem dreitägigen Generalstreik. Obwohl die Regierung daraufhin den Mindeslohn anhob, erklärte die Gewerkschaft, diese Erhöhung sei durch Preiserhöhungen längst aufgefressen – die Inflationsrate liegt bei offiziell 228, inoffiziell 260 Prozent –, und verlangte eine Verfünffachung der Löhne.

Schätzungsweise vier Millionen Menschen sind außerdem in den letzten Jahren ausgewandert. Besonders hoch ist die Emigration nach Südafrika, Großbritannien, die USA oder Botswana unter Lehrern, Ärzten, Krankenpflegern, Medizintechnikern und Sozialarbeitern.

Aber von einer massiven Protestwelle, wie sie die Opposition seit Ende März androht, ist dennoch wenig zu spüren. Kaum jemand will riskieren, Opfer von Polizeiterror zu werden, wenn der Erfolg von Massenprotesten nicht garantiert ist.