Noch ein solcher Sieg, und die Grünen sind verloren

Bei allen Landtagswahlen stets das gleiche Bild: Die Partei gewinnt an Stimmen – und landet trotzdem in der Opposition. Diese Erfahrung befördert die Debatte um Schwarz-Grün

BERLIN taz ■ Es ist eine vertrackte Situation. In Bund und Ländern regiert die kleine Partei schon lange Jahre immer mit demselben Koalitionspartner, doch seit geraumer Zeit scheint die Volkspartei zu schwächeln. Vor allem bei den jüngeren Vertretern der elitären Kleinpartei macht sich Unmut breit, weil der große Partner zu wenig Reformfreude zeigt. Da trifft es sich gut, dass gerade die Wahl des Bundespräsidenten ansteht: Die Gelegenheit ist günstig, neue Bündnisse zu testen.

Nun ja: Die Aussichten, dass im Mai ein Kandidat Klaus Töpfer ausgerechnet von CDU und Grünen ins Schloss Bellevue befördert wird, ist nicht eben hoch. Ansonsten aber erinnert die Lage der Grünen durchaus an die Situation, in der sich die FDP während der späten Sechziger befand – als sich die Jüngeren um Walter Scheel von der Fixierung aufs bürgerliche Bündnis langsam lösten und den Wechsel zur SPD vorbereiteten.

Die Partei bleibe „trotz klarer Gewinne in der Opposition“, sie habe „erfolgreich danebengesiegt“: Solche Überschriften lesen die Grünen schon seit Jahren nach nahezu jeder Landtagswahl, und wenn es so weitergeht, dann siegen sie sich am Ende noch zu Tode. „Noch ein solcher Sieg, und ich bin verloren“: Das geflügelte Wort des antiken Feldherrn Pyrrhus drängt sich auf, der in der Schlacht bei Ausculum zwar siegte, aber dabei seine Getreuen verlor.

Seit die SPD durchs Reformtief watet, machen die Grünen die immer gleiche Erfahrung. Schon bei der Bundestagswahl wäre es beinahe schief gegangen: Obwohl sich der kleinere Koalitionspartner um zwei Prozentpunkte verbesserte, wäre die Mehrheit dank der SPD-Verluste beinahe perdu gewesen. Im Februar 2003 passierte es dann. In Niedersachsen legten die Grünen von 7,0 auf 7,6 Prozent zu – dennoch mussten sie Sigmar Gabriel in die Opposition folgen.

Zeitgleich schnellte ihr hessisches Ergebnis sogar von 7,2 auf 9,9 Prozent empor – doch es half nichts, weil die SPD zehn Prozentpunkte verlor. Auch in Bremen und Bayern, wo die Mehrheiten für große Koalition und CSU-Regierung ohnehin schon feststanden, verloren die Grünen höchst erfolgreich: Sie konnten ihren Wähleranteil jeweils um rund die Hälfte steigern, auf 13 Prozent an der Weser und 8 Prozent an der Isar.

Doch im Überschwang der Siege vergessen die Grünen heute gern, dass es ihnen während der ersten rot-grünen Wahlperiode oft genug umgekehrt erging: Während sich Schröders SPD nach dem Holzmann-Coup von 1999 im Stimmungshoch sonnte, verloren die Grünen bei nahezu jeder Wahl. Parteienforscher warnten bereits vor einer „länger anhaltenden Auszehrung“, gar vor dem Ergrauen als „Vorstufe des Todes“.

Damals war es die SPD, die sich bereits nach anderen Koalitionspartnern umschaute: Unverhohlen machte Schröder dem FDP-Chef Guido Westerwelle Avancen. Fast scheint es, als seien Gewinne und Verluste von SPD und Grünen nahezu ein Nullsummenspiel, prozentual wie programmatisch. Die Regierung kann machen, was sie will: Nützt es den Grünen, schadet es nach aller Wahrscheinlichkeit der SPD – und umgekehrt.

Die Gegner von Schwarz-Grün interpretierten diese Erkenntnis gestern in ihrem Sinne. Das Hamburger Wahlergebnis habe gezeigt, dass Schnittmengen mit der CDU „einfach nicht da sind“, sagte die grüne Nochvorsitzende Angelika Beer nach einer Sitzung des Parteirats. Fraktionschefin Krista Sager hatte dagegen noch am Wahlabend erleichtert festgestellt, aus dem Hamburger Ergebnis lasse sich zumindest „keine prinzipielle Ablehnung“ von Schwarz-Grün herauslesen. RALPH BOLLMANN