Struck fährt selbstbewusst zu Rumsfeld

Erster Bundesminister besucht USA nach dem Golfkrieg „ohne Schuldgefühle“. Boden für Bush und Schröder bereiten

WASHINGTON ap ■ Als Bußgang verstand Peter Struck seine Reise nach Washington nicht. Der Bundesverteidigungsminister wollte vor dem gestrigen Treffen mit seinem amerikanischen Amtskollegen Donald Rumsfeld nichts von „Reue oder Schuldgefühlen“ wissen, die er zeigen müsse. Zwischen Berlin und Washington hatte es tiefe Meinungsverschiedenheiten über den Irakkrieg gegeben. Struck ist der erste deutsche Minister, der seit dem Golfkrieg die USA besucht.

Struck wagte die überaus optimistische Prognose, die Normalität mit Rumsfeld sei „in fünf Minuten“ wiederherzustellen. Möglicherweise ließ sich Struck dadurch verleiten, dass er persönlich mit dem barschen Rumsfeld gut umgehen könne. Sie kämen beide aus Norddeutschland, und dort seien die Menschen „bekannt für ihr heißblütiges Temperament“, witzelte Struck. Doch schon Strucks Parteifreund Carsten Voigt (SPD) holte ihn auf den Boden zurück: Eine schnelle Normalisierung des Verhältnisses zu den USA sei nicht zu erwarten, sagte Voigt, der Koordinator für die deutsch-amerikanischen Beziehungen ist. Dass Struck vor Rumsfeld nicht kuscht, hatte er bei der Sicherheitskonferenz im Februar gezeigt. Nachdem Rumsfeld Deutschland in einem Atemzug mit Libyen und Kuba genannt hatte, stellte Struck ihn zur Rede – freundlich und bestimmt.

Struck sagte denn auch gestern trotzig, er habe „keinen Grund, ein Geschenk in die USA mitzunehmen“. Die Bundeswehr habe die US-Einrichtungen in Deutschland während des Irakkrieges mit 4.200 Soldaten geschützt. Dafür seien die Amerikaner sehr dankbar. Deutschland hatte auch für Entlastung der USA in Afghanistan gesorgt.

Der Besuch des Verteidigungsministers ist in ein kompliziertes Geflecht persönlicher Beziehungen eingebettet. Das Verhältnis zwischen US-Präsident George W. Bush und Bundeskanzler Gerhard Schröder gilt als nachhaltig gestört. Zu mehr als zu einem Handschlag reicht es zwischen beiden nicht. Neben Struck sollen daher gleich mehrere Leute in Washington gute Laune machen: Kanzleramtsberater Bernd Mützelburg, Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und Außenminister Joschka Fischer führen bis Juni Gespräche mit ihren US-Kollegen.

Dabei gab es erst jüngst wieder neue Verstimmungen. So kam der Vierer-Gipfel Belgiens, Deutschlands, Frankreichs und Luxemburg Ende April bei den USA nicht gut an. Vor allem der Beschluss zur Einrichtung eines EU-Hauptquartiers wurde von der US-Regierung als Konkurrenz zur Nato gewertet. Er werde Rumsfeld und Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice erläutern, dass der so genannte Pralinengipfel zum Ziel gehabt habe, den europäischen Pfeiler in der Nato zu stärken und damit die USA zu entlasten, sagte Struck. Genau dies hatten die USA beim Nato-Gipfel in Prag von den Europäern gefordert. Innerhalb der EU sind indes die militärisch wichtigsten Mitgliedstaaten wie Großbritannien und Spanien bislang nicht mit von der Partie.