„Wir werden Jürgen Rüttgers entzaubern“

Nordrhein-Westfalens Verkehrs- und Energieminister Axel Horstmann kämpft für Rot-Grün auf Landesebene: Der Vorsitzende der ostwestfälischen SPD hält die CDU/FDP-Opposition für „programmatisch ausgehöhlt und inhaltsleer“

taz: Herr Horstmann, bei der Maut hat sich die Bundesregierung nach monatelangem Streit, nach Kündigung der Verträge nun doch für eine weitere Zusammenarbeit mit dem Betreiberkonsortium Toll Collect entschieden. Eine gute Lösung?

Horstmann: Ja – wenn die Zusammenarbeit mit dem Konsortium jetzt endlich funktioniert. Die Bundesregierung hat sich für den schnellstmöglich umsetzbaren Ausweg entschieden. Wir brauchen die Mauteinnahmen so schnell wie möglich: Für den Ausbau der Bundesfernstraßen gerade bei uns, im Transitland Nordrhein-Westfalen. Aber auch die Bahn lässt auf bereits zugesagte Investitionen warten, und auch hier liegt unser großes Interesse: Wir wollen mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene bringen.

Dennoch: Durch das Mautdesaster drohen NRW hohe Einnahmeausfälle. Sie selbst haben auf der Konferenz der Landesverkehrsminister die Verluste mit mindestens 150 Millionen Euro beziffert...

...die Entscheidung des Schiedsgerichts über die Höhe der Vertragsstrafen, die Toll Col-lect zahlen muss, steht noch aus. Klar ist aber: Sollte es nicht zu einer befriedigenden Lösung kommen, sollte keine ausreichende Kompensation von Seiten des Konsortiums gezahlt werden, kommt eine Zwischenfinanzierung. Das heißt: In NRW wird es keinen Investitionsstopp geben. Ich erwarte, dass der Haushaltsausschuss des Bundestags heute Mittel von über einer Milliarde Euro freigeben wird.

Die Opposition sieht das aber anders und warnt vor einem Desaster. Drohen Baustopps selbst bei den wichtigsten Verkehrsprojekten – sei es im Straßenbau, sei es bei der Bahn?

Wir haben bisher kein einziges unserer Straßenbauprojekte stoppen müssen, etwa beim Anti-Stau-Programm zum Ausbau der wichtigsten Autobahnen. Sorge bereitet mir allerdings der Investitionsstau bei der Bahn. Zur Opposition: Hätten wir auf die CDU gehört, hätte ich wie gefordert schon vor drei Monaten ein Notprogramm aufgelegt, hätten wir dem Bund doch eine von uns ausgearbeitete Streichliste an die Hand gegeben. Das zeigt: Die CDU hat nicht die Interessen des Landes im Auge.

Und die Opposition könnte auch die Verkehrspolitik der rot-grünen Koalition in NRW für gescheitert erklären...

...das behauptet die Opposition doch immer – natürlich ohne jede Substanz. SPD und Grüne in Nordrhein-Westfalen haben doch gerade wieder gezeigt, dass sie erfolgreich handeln und sich selbst in schwierigsten Fragen einigen können. Nehmen Sie das Beispiel der Autobahn 33: Mit der Umfahrung des Tatenhauser Walds haben wir bewiesen, dass Mobilität und Ökologie vereinbar sind.

Eine Einigung nach jahrelangem Streit. Ihre Prognose, gerade nach der bitteren Wahlniederlage Ihrer Partei in Hamburg: Wie geht es weiter mit Rot-Grün? Hat die Koalition bei der Landtagswahl überhaupt noch eine Chance?

Ich finde, SPD und Grüne arbeiten überaus erfolgreich – besonders, seit wir uns im vergangenen Sommer wieder zusammengerauft haben. Dafür stehen unsere gemeinsamen Erfolge in der Verkehrspolitik, aber auch unsere Energiepolitik. Gerade hier sind SPD und Grüne doch näher beieinander als einer von uns bei der CDU.

Die Landtagswahl wird also zum Lagerwahlkampf: Da die bürgerlichen Parteien CDU und FDP, hier das rot-grüne Projekt?

Wir werden CDU-Oppositionsführer Jürgen Rüttgers entzaubern und auch bei der Landtagswahl erfolgreich sein. Rüttgers‘ CDU präsentiert sich doch programmatisch ausgehöhlt und inhaltsleer. Nehmen Sie die Energiepolitik: Da wenden sich die Christdemokraten zunehmend gegen die Kohleverstromung – und fordern gleichzeitig das Ende aller Förderung für alternative Energieträger.

Dennoch haben führende Grüne bereits erste Sondierungsgespräche mit Rüttgers geführt. Und die FDP war für SPD-Ministerpräsident Peer Steinbrück ein attraktiver Partner – zumindest zu Beginn der rot-grünen Koalitionskrise des vergangenen Sommers.

Unser stabiler Partner sind die Grünen. Und mit der FDP sehe ich immer weniger Gemeinsamkeiten. Bleiben wir bei der Energiepolitik: Auch diese Partei hat nichts zu bieten als Polemik zur Kohle wie zu Windrädern. Da frage ich mich doch: Was wollen die eigentlich?

Woher dann der immer wiederkehrende Streit mit den Grünen um die Steinkohle?

Beide Koalitionspartner legen größten Wert auf eine umweltfreundliche Kohleverstromung – unter besseren Bedingungen als heute, mit modernen Kohlekraftwerken mit Wirkungsgraden von bis zu 48 Prozent. Und wir haben NRW zum Technologieführer bei den erneuerbaren Energieen gemacht. Das ist eine feste Basis unserer Partnerschaft.

Die Grünen kritisieren aber, die Subventionen für die Steinkohle seien mit über 16 Milliarden Euro allein bis 2012 zu hoch, und auch danach plane die SPD eine weitere Kohleförderung mit einem so genannten Sockelbergbau...

Auch nach 2012 sollte in Deutschland Steinkohle gefördert werden – schließlich sollen unsere modernen Kohlekraftwerke hier in NRW stehen und nicht irgendwo. Die Steinkohlefinanzierung ist aber seit 1997 um 45 Prozent gesunken, und sie wird bis Ende 2012 um weitere 33 Prozent sinken. Es wäre doch unangemessen, die Steinkohle nun zur Prinzipienfrage zu erklären. SPD und Grüne sollten im Konsens entscheiden – sei es bei der Steinkohle, sei es bei den alternativen Energien.

Sind die hohen Kohlesubventionen der Bevölkerung denn überhaupt noch vermittelbar?

Die Steinkohle stellt sich Kürzungen wie kein anderer Subventionsempfänger: Die Zahl der Zechen sinkt von heute zehn auf nur noch fünf bereits im Jahr 2012. Außerdem: Auch bei größtmöglicher Förderung regenerativer Energieen gibt es keine logische Alternative zur Steinkohle – außer der Atomkraft.

INTERVIEW: ANDREAS WYPUTTA