Sprachlose Schüler

Jeder dritte Duisburger Schulanfänger hat keine ausreichenden Deutschkenntnisse. Bei der Förderung gibt es erheblichen Handlungsbedarf

„Wir wissen jetzt, dass die Herkunft nicht der ausschlaggebende Faktor ist, ob ein Kind gut Deutsch spricht“

VON MERJAM WAKILI

Das Ergebnis ist erschreckend: Jedes dritte Kind, das in diesem Jahr in Duisburg eingeschult wird, spricht nicht genügend Deutsch. Nicht nur Kinder mit Migrationshintergrund weisen sprachliche Mängel auf: Nahezu jedes vierte deutsche Kind schnitt bei dem Sprachtest in Teilen so schlecht ab, dass es der Frühförderung bedarf. Das ist das Ergebnis des Cito-Tests, der an rund 5.000 Kindern in Duisburg durchgeführt wurde. Die Landesregierung hatte im vergangenen Jahr beschlossen, dass Kinder vor ihrer Einschulung auf ihr Sprachvermögen getestet werden sollen. In Nordrhein-Westfalen hat das niederländische Testinstitut Cito mit Unterstützung des Landesinstituts für Schule und der Regionalen Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien (RAA) den digitalen Cito-Test erprobt.

Am Computer werden der passive Wortschatz, bestimmte Funktionsbegriffe, das Hör- und das Textverständnis getestet. Ein Männchen namens Primo erscheint zu Beginn des Tests auf dem Bildschirm und erklärt die Bedienung der Maus. Eine digitale Lehrerin stellt anschließend die Fragen, die von den Kindern per Mausklick beantwortet werden müssen. Anders als beim Sprachtest, hatten die Kinder im Umgang mit dem Computer keine Probleme. „Sie waren begeistert von dem Test“, sagt auch Heide Illmann, Konrektorin an der Grundschule Großenbaumer Allee im Süden Duisburgs. Dort ist der Anteil der SchülerInnen mit Migrationshintergrund von etwa knapp 20 Prozent vergleichsweise gering. Dennoch: Von 45 getesteten Kindern sind zehn förderungsbedürftig – darunter vier Deutsche. Ob ein Kind gefördert werden muss, war bisher dem Bauchgefühl der ErzieherInnen überlassen. Nach dem Gießkannenprinzip wurden die Förderplätze verteilt. 2.200 Kinder sind es zur Zeit in Duisburg. Ob darunter auch die Richtigen sind, also die rund 1.700 Kinder, die nach dem Cito-Test als förderbedürftigen eingestuft wurden, will der Duisburger Schuldezernent Peter Greulich prüfen lassen. „Wir wissen jetzt, dass die Herkunft nicht der ausschlaggebende Faktor ist, ob ein Kind gut Deutsch spricht oder nicht“, sagt Greulich. Durch den Test können sprachschwache Kinder zielgerichteter gefördert werden, da die Schwächen genau diagnostiziert werden. Das wird allerdings erst 2005 der Fall sein. Bis dahin müssen die ErzieherInnen geschult werden.

Die türkischstämmigen Kinder müssen einen zusätzlichen Test auf Türkisch machen, um ihre Schulfähigkeit zu beurteilen. In weiteren Sprachen ist der Cito-Test nocht nicht geplant. „Erst wenn sie ihre Muttersprache genügend beherrschen, könne die Kinder auch Deutsch lernen“, sagt Greulich. Deshalb sei es wichtig, parallel zur Deutschförderung die Kenntnisse in der Muttersprache zu erweitern, findet auch Elisabeth Pater von der RAA. Wie sich die Kürzungen am muttersprachlichen Unterricht auf die Sprachkompetenz derErstklässler auswirken? Wie mit den sprachschwachen Kindern aus deutschen Haushalten vorgegangen werden soll? „Vielleicht findet man da in den Kindertagesstätten einen besonderen Gruppenmix“, schlägt Greulich vor. Das sei auch unter integrativen Gesichtspunkten positiv zu bewerten. Doch die Entscheidung wolle er lieber den Profis überlassen. Und weiter: „Es wäre wünschenswert, wenn die Eltern mehr mit ihren Kindern sprechen würden, als sie vor den Fernseher zu setzen.“