Digitales Theater

Das runderneuerte Planetarium offenbart das Dilemma zwischen Denkmalschutz und Event-Stätte

von Lars Quadejacob

Als vor einem Vierteljahr das Planetarium im Stadtpark-Wasserturm wieder seine Pforten öffnete, da rieb sich so mancher Stammgast die Augen. Unterhalb des Hightech-aufgerüsteten Vorführungssaals mit einer nun endlich nicht mehr halsbrecherischen Bestuhlung war eine karge Architekturskulptur entstanden, die merkwürdig unfertig wirkt. Die ehemals mit Vitrinen, Wandtafeln und Einbauten aus sechs Jahrzehnten voll gerümpelten Museumsräume präsentieren sich praktisch im geweißten Rohbauzustand. Ein buntes Sammelsurium an vermutlich aus den Büros der Verwaltung geklaubten Stühlen hilft seitdem über den ärgsten Misstand hinweg und bietet wenigstens provisorisch Sitzgelegenheit.

Doch seit voriger Woche steht fest: Dabei soll es nicht bleiben. Die Kulturbehörde gab nun doch die Mittel frei zur historisierenden Neuausstattung des 1929 auf Betreiben des jüdischen Kulturwissenschaftlers Aby Warburg errichteten Sternentheaters. Damit käme ein zweites Kapitel des seit August 2002 währenden, 9,4 Millionen Euro teuren Umbaus des Hauses zum Abschluss. Das erste beinhaltete die Entkernung des Gebäudes und seine Ausstattung mit moderner Technik. Dafür hatte sich der seit November 2000 amtierende Planetariums-Direktor Thomas Kraupe stark gemacht. Sein Ziel ist es, „informelles Lernen mit allen Sinnen, eingebunden in eine Erlebnisdramaturgie“ zu bieten, bei dem „spielerische Unterhaltung und substanzielle Belehrung keinen Widerspruch“ darstellten.

Mit der baulichen Umgestaltung zum „digitalen Theater“ wurde nach landesweiter Ausschreibung einer der meistbeschäftigten Architekten Hamburgs, Hadi Teherani mit seinem Büro BRT, auserkoren. Kraupe dürfte darüber nicht unglücklich gewesen sein, soll es sich doch bei dem Direktor und seinem Architekten um Freunde aus gemeinsamen Münchener Schulzeiten handeln. Zudem war das Denkmalschutzamt beteiligt, das seine Rolle hierbei keinesfalls als restriktiver Auflagensteller empfand: „Ich muss Kosten einspielen, mich von vornherein fragen: Wie betreibt man ein solches Haus?“, erläutert Denkmalpfleger Albert Schett. Dazu gehörte die Schaffung eines neuen Geschosses im oberen, bis dahin ungenutzten Teil des von 1913 bis 1915 errichteten Turms. Überragt von der mächtigen genieteten Halbkugel des Wassertanks, entstand hier ein eindrucksvoller Raum. Hier möchte Kraupe Möglichkeiten für Tagungen schaffen und für Klanginstallationen im Wassertank sowie für Ausstellungen. Ideen hätte er zuhauf, doch bis zur Umsetzung kann es noch dauern. Denn die Kosten gesetzlich vorgeschriebener Brandschutzmaßnahmen würden in dem alten Turm in die Millionen gehen. Kraupe hofft auf „Public Private Partnership“.

Moderne Zeiten herrschen auch in puncto Architektur auch im denkmalgeschützten Erdgeschoss des Turms. Zwar galt Denkmalpfleger Schett die ursprüngliche Ausstattung als Leitlinie aller Neugestaltung, doch heutige Nutzungsanforderungen und der Wunsch nach einem konsistenten Erscheinungsbild werden hier sukzessive ein runderneuertes Denkmal entstehen lassen. Mal sind es Brandschutzauflagen, mal der Wunsch nach dem Shop, der zum Neubau von Ausstattungsstücken führt. Optisch zusammengehalten werden soll alles von Eichenfurnier und weißen Wänden, denn diese Oberflächen wurden für die Erbauungszeit festgestellt. Doch als Leitmotive für den gesamten Neuausbau verwässern sie eine ethische Grundfeste des Denkmalschutzes: Die Unterscheidbarkeit von alt und neu. Mancher spontane Betrachter wird in den neuen alten Räumen womöglich weniger an die 20-er Jahre denken als an jenem Retroschick, wie er etwa in der Kommerzarchitektur des vom Denkmalschutzamt mitgestalteten Bahnhofs Dammtor zu Tage tritt.