Rot-schwarze Diäten-Grütze

Keine höheren Bezüge, aber dafür viel Kredit verspielt: SPD und CDU in Schleswig-Holstein stehen nach dem Scheitern ihrer Selbstbedienungspläne vor einem politischen Scherbenhaufen. Und niemand weiß, wie es weitergehen soll

Bittere Protestbriefe, Dutzende Parteiaustritte und starker Gegenwind ...... in den Medien als Quittung für ein nicht vermittelbares Vorhaben.

von WOLFGANG SCHMIDT

Nach dem Scheitern ihrer heftig kritisierten Diätenpläne stehen SPD und CDU im Kieler Landtag vor einem Scherbenhaufen. Sie haben nicht nur viel politischen Kredit verspielt, sondern müssen in kürzester Zeit ein zum Teil bereits in Gesetzesform gegossenes Reformvorhaben rückgängig machen. Darüber zerbrechen sich seit gestern die Experten die Köpfe, nachdem beide Fraktionen am Vorabend unter massivem Druck der eigenen Basis und der Öffentlichkeit die Notbremse gezogen hatten. Dass in Zeiten drohenden Sozialabbaus die Abgeordneten-Diäten um 1800 auf 5700 Euro steigen sollten, galt vielen als instinkt- oder gar schamlos.

Zugleich sollten zwar entsprechend einer Forderung des Bundesverfassungsgerichts die meisten Funktionszulagen und Pauschalen gestrichen werden, doch dies verblasste hinter dem Diäten-„Zubrot“ völlig. Bittere Protestbriefe, Dutzende Parteiaustritte, Druck aus den Parteizentralen und starker Gegenwind in den Medien waren die Quittung für ein nicht vermittelbares Vorhaben. Dennoch hielten die Fraktionen stramm Kurs – bis es gar nicht mehr ging.

„Das Ding ist in die Grütze gefahren worden“, befindet Lars Harms vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW). „Der Schaden, den SPD und CDU angerichtet haben, ist immens“, meint FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Erleichterung auch bei den Grünen, die das Vorgehen ihres roten Koalitionspartners stets abgelehnt hatten: „Wir freuen uns“, bekannte Fraktionsgeschäftsführerin Monika Heinold. Die Grünen seien gesprächsbereit für „eine einvernehmliche kostenneutrale Lösung zur nächsten Legislaturperiode“.

CDU-Landeschef Peter Harry Carstensen atmete zumindest kurz auf: „Ich bin froh, dass weiterer Schaden von der Partei abgehalten worden ist.“ Carstensen musste zuletzt immer stärker befürchten, dass der klare CDU-Erfolg bei der Kommunalwahl am 2. März verspielt wird. Der Bundestagsabgeordnete will ja 2005 Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) und deren rot-grüne Koalition ablösen.

Mit einem Parteitagsbeschluss im Rücken, um den sich die Fraktion eigentlich nicht scheren wollte, hatte sich auch SPD-Landeschef Claus Möller dafür eingesetzt, die Diätenreform auf 2005 zu verschieben. Ab dann sollten die Abgeordneten ihre Altersversorgung selbst bezahlen – nach einer weiteren Diätenerhöhung um 1000 Euro.

Die vertrackte Lage lässt selbst altgediente Parlamentarier verzweifeln. Heute wollten SPD und CDU das ganze Reformpaket festzurren, doch nun muss das „Bündel“ neu entwirrt werden. „Es ist das erste Mal, dass ich einen Tag vor der Sitzung des Parlamentes nicht weiß, wie sie ablaufen wird“, seufzt Kubicki.

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