Bremen in einer Minute

Filmfest „Cityzooms“: Neun Filmemacher aus „Weltstädten mit Wasseranschluss“ hatten fünf Tage Zeit, um ihren frischen Blick auf Bremen in je einem Kurzfilm festzuhalten. Die taz begleitete sie bei ihrer filmischen Erkundung der Weltstadt an der Weser

Mit fremden Augen kann man die eigene Stadt nicht sehen. Aber heute Abend kann man zumindest eine Ahnung davon bekommen, wie Bremen auf junge Filmemacher wirkt, die zum ersten Mal hier sind.

Neun Filmemacher sind für das Projekt „Cityzooms“ aus den Metropolen Shanghai, New York, Los Angeles, Barcelona, Seoul, Porto, Tokyo, St. Petersburg und Montevideo angereist – zum einen, um bis zum 11. Mai ihre Filme beim Filmfest „Cityzooms“ in den Überseecontainern vor dem Überseemuseum zu zeigen, aber auch, um hier selber kleine Filme zu machen. Fünf Tage hatten sie Zeit, einen einminütigen Videoclip zu drehen, zu schneiden, zu vertonen und nachzuarbeiten. Am Wochenende wurde gedreht und am Montag an den verschiedenen Schnittplätzen der Stadt montiert.

Federico Sosa aus Montevideo war mit zwei Freunden nach Bremen gekommen, die drei sind durch die Stadt gezogen und haben sich durch die Unterschiede zwischen ihrer Heimatstadt und Bremen inspirieren lassen. Montevideo sei viel „chaotischer, lauter, unfertiger“ als diese Stadt, ihnen fielen die modernen Straßenbahnen, die ausgewogene Architektur der „Bremer Häuser“ und die vielen Verkehrs- und Hinweisschilder auf, und so haben sie viele von diesen Dingen gefilmt.

Jeweils einer der drei postierte sich mit dem Rücken zur Kamera im Zentrum des Bildausschnitts, wodurch sich die Einstellungen schnell aneinanderschneiden lassen: Die immer gleiche Rückenansicht verbindet sie und wirkt wie ein Ruhepol. Dabei hielten sie eine kleine Schablone vor den Viewfinder, damit sie ihren Freund jeweils genau positionieren konnten. Ihr Rohschnitt wirkt spielerisch, wie das Videotagebuch von ein paar guten Freunden, die sich auf Reisen mit viel []Lust von Alltäglichem faszinieren lassen.

Denis Chabanko aus St. Petersburg ist nicht nur zum ersten Mal in Bremen, es ist auch sein erster Besuch „im Westen“ (so der russische Kurator Anton Soloveitchick). Sein Blick ist also extrem fremd. Umso erstaunlicher sind seine Bilder, denn im Gegensatz zum Trio aus Montevideo konzentriert er sich ganz auf die Menschen der Stadt. Und weil er ein gutes Auge hat, findet man in seinem Video viele schöne Momentaufnahmen von Bremern: Kinder, Penner, Fahrradfahrer oder einfach nur eine Frau, die sehr sorgfältig eine Tür anstreicht.

Für Chabanko zeigt sich Bremen „in den Gesichtern der Stadt“. Sein Filmmaterial ordnet er unter den Rubriken „Träume“, „Kinder“, „Geld“ und „Zeit“, die dann im Video als Papierschiffchen auf der Weser schwimmen. Am Montagnachmittag grauste es Chabanko noch vor dem Schnitt, weil er soviel gutes Material weglassen musste, aber vielleicht wäre die radikalste und zugleich schönste Lösung für ihn gewesen, wenn er in seiner Minute nur eine einzige Einstellung gezeigt hätte, denn ein oder zwei von ihnen sind bewundernswert gut gefunden und komponiert.

Radikal den Erwartungen verweigern will sich Kej Morisawa aus Tokyo in seiner Arbeit, indem er Bremen fast völlig ignoriert und ein Kunstvideo mit rätselhaft meditativen Einstellungen montierte, das er ganz ähnlich überall auf der Erde hätte drehen können. Ein Fußabdruck im nassen Ufersand, ein Zoom durch ein Loch in der Tür in einen Raum hinein: alles sehr kultiviert, artifiziell und leer.

Nur eine ironische Brechung lohnt das Hinsehen: In einem Schaufenster hat er eine Dekoration mit japanischen Papierschirmen entdeckt, und im Bild sieht man wie bei einer Doppelbelichtung darüber die Spiegelung von ihm und seiner Kamera im Fensterglas.

Wilfried Hippen

Die Premiere der neun einminütigen Videos ist heute um 20 Uhr im Intercity-Hotel, danach werden sie täglich von 10 bis 22 Uhr im Rahmen der Nonstop-Programme in den „Cityzooms“-Kontainern vor dem Überseemuseum gezeigt