Der reuige Rubbler

Peinlich, peinlicher, „Penthouse“: Wenn Wichsvorlagen fremdgehen

Es hatte ganz gut geklappt. Im Grunde hatte es einfach nur geklappt, und wenn eine solche Sache geklappt hat, dann hat sie nicht nur ganz gut geklappt, sie hat dann sehr gut geklappt. Mehr als klappen geht in einer solchen Sache nämlich nicht, und deshalb hatte die Angelegenheit einen guten, einen sehr guten, einen hervorragenden Ausgang genommen.

Stibitzt und weg. Rasch aufs Rad und auf und davon. Über den Marktplatz geradelt, hinein in den Hofgarten und weg. Der Herzschlag beruhigte sich. Unter den Achseln feuchte Flecken. Ein kleines Zwicken des Gewissens. Unter der Jacke zusammengerollt das Ding. Jenes Ding, das eben noch zwischen ähnlich ausgerichteten Produkten gesteckt hatte, in einem damals noch nicht durch Spiegel oder Kameras überwachten Laden im Zentrum der Bundeshauptstadt Bonn, in einem recht großen und ein wenig verwinkelten Zeitschriftenladen, der von einem dunkelhäutigen, freundlichen Mann geführt wurde, der an der Kasse stand und zwischen den Zahlvorgängen ein paar gelangweilte Blicke in die Runde warf.

Ein paar Karamelbonbons in der Süßwarenabteilung von Karstadt, sicher. Sonst war ja nichts gewesen, bis dato, bis der Dreizehnjährige seinen großen Coup landete und ein Magazin zwickte. Jetzt, auf dem Rad, ging es ihm schon sehr gut. Je weiter er sich vom Marktplatz und vom Geburtshaus Beethovens und all den anderen bedeutenden Stätten entfernte, desto froher war er und desto freier und frickeliger fühlte er sich. Wie das geklappt, wie gut das funktioniert hatte. Und was ihm nun bevorstand, hehe, sehr schön, sehr gut.

Er war herumgeschlendert zwischen den Comicregalen, den Sportzeitschriften und der Abteilung für diese andere, schwer lockende Art von Presseerzeugnissen. Wohl eine Viertelstunde lang hatte er sich ausnehmend unauffällig von A nach B, von B nach A und von A nach C bewegt, hatte überlegt und überlegt und zur Kasse hinübergeschielt, der Laden schien ausreichend besucht. Karamelbonbons, klar, kein Problem im Grunde, aber diese Sache hier, die stellte sich schon schwieriger dar, zumal ihm die Übung fehlte, außer den vier oder fünf Karamelbonbons hatte er noch nie etwas auf diese Art in seinen Besitz gebracht.

Als er dann, das Ding unter den linken Arm, unter die Jacke gestopft, am Mann an der Kasse betont uninteressiert vorbeigeschwänzelt war, hatte das Herz tatsächlich bis zum Hals gepocht. Ein Dreizehnjähriger kann sich ja so ein Magazin nicht kaufen, also musste er es klauen, das Recht des Alters war auf seiner Seite, daran gab es nichts, rein gar nichts zu rütteln.

In Wayne Wangs wunderbarem Film „Smoke“ blättert der siebzehnjährige Rashid, der auf Auggie Wrens Tabakladen „Brooklyn Cigar Company“ aufpassen soll, in einem Penthouse-Heft herum, während Auggie, gespielt von Harvey Keitel, einen klandestinen Deal mit kubanischen Zigarren einfädelt. Währenddessen läuft im Abstellraum das Waschbecken über, und die sauteuren Zigarren, die unter dem Waschbecken aufgestapelt sind, gehen vor die Hunde. So schürzt sich ein Handlungsknoten, und auch in der Fortsetzung von „Smoke“, in „Blue In The Face“, spielt ein diesmal illegal entwendetes Penthouse-Heft eine kleine Rolle im Fortgang der Geschichte.

Das Magazin, das der Dreizehnjährige in einem Frühsommer vor über zwanzig Jahren unter der Jacke, nah am Herzen, mitnahm an einen abgeschiedenen Ort, fern des Getümmels im Herzen der Bundeshauptstadt Bonn, es tat seinen Dienst. Damit ist die Geschichte leider nicht zu Ende, denn prä- oder frühpubertierende Protestanten sind beinahe schon zu allem zu blöd.

Einige Tage später nämlich reute es den Dieb, das Gewissen meldete sich immer mahnender und anklagender, und so machte er sich mit dem geknickten Magazin unter der Jacke auf in Richtung Innenstadt.

Das Fahrrad stellte er wieder zwei Häuserecken weiter ab. Mit weichen Knien betrat er den Zeitungsladen. Er schaute sich um, ging zu den Regalen der Abteilung B und zu jenen der Abteilung A, und als ihm der Moment günstig schien, ging er vielleicht ein wenig zu zielstrebig zu den C-Regalen, drehte der Kasse den Rücken zu, zog das Ding aus der Jacke und legte es mit zitternder Hand auf einen Stoß Magazine.

„Aha. Du klaust!“ Der dunkle Mann stand hinter ihm. Der Dreizehnjährige drehte sich ganz langsam um. Im Zeitungsladenboden versinken und auf wundersame Weise verschwinden wollte er. Die trockene Zunge klebte am Gaumen, und der Ertappte stammelte: „Nein, nein. Ich hab’ das bloß zurückgebracht.“ – „Zurückgebracht?“ – „Ja, zurückgebracht.“

Möglicherweise rührt so viel Dummheit an. Der Mann ließ den Jungen jedenfalls laufen. Vielleicht dachte er: Auch Wichsen will gelernt sein. Die Sache war also noch einmal gut gegangen, ja ganz gut ausgegangen. JÜRGEN ROTH