Das Weiße Haus plant den Gegenangriff

Der US-Präsident steckt in einem Umfragetief. Bei Themen wie Homoehe und Wirtschaftspolitik überzeugt er nicht, der Antiterrorkampf interessiert derzeit kaum. Aber Bush kann die größte Werbemaschine in Gang setzen, die es je gab

AUS WASHINGTON MICHAEL STRECK

Seit Wochen steckt George W. Bush im Umfragetief und in der Defensive. Der Arbeitsmarkt stagniert. Das Haushaltsloch erreicht Rekordstände. Der Irak bleibt ein Pulverfass. Und die Demokraten stehlen Bush die Show.

Um mit den Worten der Filmkultfigur Austin Powers zu sprechen, der US-Präsident hat sein „Mojo“ verloren. Ihm ist seine von vielen Wählern lange am meisten geschätzte Eigenschaft abhanden gekommen: Führungsstärke. Beinharte Konservative werden ihn trotzdem wählen. Aber unabhängige Wähler sowie „demokratische“ Republikaner fallen langsam vom Glauben ab. Ihnen kann Bush momentan keine überzeugende Botschaft vermitteln.

So erteilen sie ihm in Sachen Wirtschaftskompetenz mittelmäßige, in der Gesundheitspolitik schlechte Noten. Beide Themen rangieren jedoch auf der Prioritätenliste der Wähler ganz oben. Bushs Lieblingsthema, der Kampf gegen Terror, ist für viele Amerikaner keine vordringliche Aufgabe mehr. Seine Kriegsrhetorik läuft ins Leere. Hat er also auf das falsche Pferd gesetzt, indem er sich so vehement als „war president“ porträtierte?

Das Weiße Haus plant daher den Gegenangriff. Dabei muss Bush die Gratwanderung vollbringen, sich als mitfühlender Konservativer für Wechselwähler zu präsentieren und gleichzeitig die erzkonservative Basis der Republikaner befriedigen. Dabei läuft er Gefahr, eine Seite zu verprellen. Beispiel Homoehe.

Kein Thema erhitzt derzeit so sehr die Gemüter. Nachdem der Oberste Gerichtshof des Bundesstaats Massachusetts die Homoehe legalisierte und einige Städte seit Tagen lesbische und schwule Paare trauen, fordern konservative Politiker einen Verfassungszusatz, der die Ehe ausschließlich als Bund von Mann und Frau definiert. Bush beugte sich dem Drängen und schaffte sich ein neues Glaubwürdigkeitsproblem. Er selbst ist für seine Toleranz gegenüber Homosexuellen bekannt. Die Debatte berührt zudem eine Grundfeste amerikanischer Identität: die persönliche Freiheit, die vielen als höchstes Gut gilt. Moderate Parteifreunde fürchten, dass Bush sich mit seiner Unterstützung für eine Verfassungsänderung eher schaden wird. Daher meidet er das Thema mittlerweile bei seinen Wahlkampfauftritten.

Ein anderer wunder Punkt ist Bushs Haushaltspolitik. Konservative sorgen sich, er ruiniere das Image der Republikaner als fiskalisch verantwortliche Partei. Um sie zu besänftigen, kündigte er Einschnitte bei den Staatsausgaben in den Bereichen Landwirtschaft und Soziales an. Ein Präsident, der wiedergewählt werden will, füttert jedoch das Wahlvolk normalerweise mit Zuckerstücken, indem er zusätzliche staatliche Programme verspricht.

Doch Bush verfügt über einen gewichtigen Vorteil, der im Weißen Haus Gelassenheit statt Nervosität verbreitet: Seine Kriegskasse quillt mit 140 Millionen Dollar über – genug Geld, um die größte Werbemaschine in Gang zu setzen, die ein US-Wahlkampf je gesehen hat. „Sein Imperium schlägt zurück“ schreibt das Time-Magazin.

Bis zum Sommer wird es nunmehr darum gehen herauszufinden, welche Themen beim Wähler zünden. Bush wird auf die Karte Terror, Sicherheit und Wirtschaftsaufschwung setzen. „Kristallisiert sich dagegen Glaubwürdigkeit, ABC-Waffen im Irak, Geheimdienstversagen und Jobverlust heraus, wird Bush verlieren“, vertraute ein Wahlstratege der Republikaner der New York Times an.

Doch bis zu Bushs Schicksalstag sind es noch genau acht Monate – viel Zeit und viele Unbekannte im Spiel. Als Joker könnte sich die Festnahme von Terrorchef Ussama Bin Laden erweisen. Doch die Reaktionen auf einen anhaltenden Guerillakrieg im Irak oder neuen Terroranschlag sind schwer kalkulierbar. Letzterer könnte dazu führen, dass sich das Volk um den Präsidenten schart. Genauso gut könnte er als Versager beim Heimatschutz dastehen.