Marcel Dutroux wacht endlich auf

Anklageverlesung im belgischen Kinderschänderprozess bringt grausige Einzelheiten. Anders als am ersten Prozesstag schläft der Hauptangeklagte diesmal nicht ein

ARLON ap ■ Mit grausigen Details hat die Anklage im Prozess gegen den belgischen Kinderschänder Marc Dutroux gestern ihren Fall dargelegt. Staatsanwalt Michel Bourlet berichtete vor dem Schwurgericht in Arlon über die Verschleppung und Vergewaltigung von sechs Mädchen, von denen vier nur noch tot aufgefunden werden konnten.

Der Hauptangeklagte muss sich wegen Mordes an der 17 Jahre alten An und der 19-jährigen Eefje verantworten. Zudem werden ihm Entführung, Freiheitsberaubung und Vergewaltigung der beiden Mädchen sowie der 8-Jährigen Julie und Melissa, der zur Tatzeit 1996 12-jährigen Sabine und der 14 Jahre alten Laetitia vorgeworfen. Ferner muss er sich wegen Mordes an seinem Komplizen Bernard Weinstein verantworten. Letzteren Mord hatte Dutroux zunächst zugegeben, die Aussage dann aber widerrufen. Die Morde an den beiden Mädchen bestreitet er.

Bourlet legte in der 74-seitigen Anklageschrift detailliert dar, wie die Mädchen verschleppt und in einem Kellerverlies in Dutroux’ Haus in Marcinelle bei Charleroi untergebracht wurden. Das Verlies hatte Dutroux derart umgebaut, dass es nur über einen Gang zu erreichen war, dessen Zugang hinter einem Metallregal versteckt war.

Julie und Melissa waren am 24. Juni 1995 in ihrem Heimatort Grace-Hologne beim Spielen dorthin verschleppt worden. Erst nach Dutroux’ Festnahme im August 1996 wurden ihre Leichen auf einem Grundstück Dutroux’ von der Polizei ausgegraben. Laut Bourlet ergab die Autopsie, dass die Mädchen verhungert waren. Dutroux war in der Zeit, in der die Mädchen im Verlies waren, wegen Autodiebstahls für sechs Monate im Gefängnis. Bourlet verwies darauf, dass es die mitangeklagte Exfrau Dutroux’, Michelle Martin, versäumt habe, die Mädchen zu versorgen. Wegen Mordes an den beiden muss sich aber niemand verantworten.

Kurz darauf grub die Polizei auf einem weiteren Grundstück Dutroux’ die in Plastik eingewickelten Leichen von An, Eefje und Weinstein aus. Nach dem Autopsiebericht wurden sie unter Drogen gesetzt und lebendig begraben. Die im Mai und August 1996 verschleppten Sabine und Laetitia wurden kurz nach Dutroux’ Festnahme aus dem Kellerverlies gerettet.

Dutroux war am ersten Prozesstag mehrfach weggedöst, was ihm eine Ermahnung des Vorsitzenden Richters Stephane Goux einbrachte. Gestern verfolgte er das Geschehen aufmerksam, machte sich Notizen, blätterte in Akten und telefonierte mehrfach mit seinen Anwälten. Im Gerichtssaal sitzen die Angeklagten in einer Kabine mit schusssicheren Scheiben.