Streit um AKW-Vernebelung

Energiekonzerne und Bundesumweltministerium interpretieren unabhängiges Gutachten zum Schutz von Atomkraftwerken durch künstlichen Nebel unterschiedlich

HANNOVER taz ■ Zwischen Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) und den Atomkraftwerksbetreibern bahnt sich ein handfester Streit um den Schutz der Reaktoren vor Terrorangriffen mit Flugzeugen an. Ministerium und Energieversorger interpretieren ein gestern offiziell vorgestelltes Gutachten der Gesellschaft für Reaktorsicherheit (GRS) zum künstlichen Nebel, mit dem die Betreiber ihre Anlagen bei Angriffen quasi unsichtbar machen wollen, völlig unterschiedlich.

Das Bundesumweltministerium erklärte, der künstliche Nebel sei „in seiner derzeitigen Form nicht geeignet, den Schutz der Anlagen deutlich zu verbessern“. Zu diesem Ergebnis sei man aufgrund der GRS-Begutachtung des Vernebelungskonzeptes gekommen.

Demgegenüber erklärte die E.ON-Tocher E.ON Kernkraft, das Gutachten komme „zu dem Ergebnis, dass die von den Kernkraftwerksbetreibern vorgeschlagenen Maßnahme der Tarnung von Kernkraftwerken durch künstlichen Nebel durchaus wirksam ist“. Sie reduziere die Wahrscheinlichkeit, sensible Anlagenteile durch gezielten Flugzeugangriff zu treffen. Der künstliche Nebel habe zudem „keinerlei nachteilige Auswirkungen“. E.ON warf Trittin zudem vor, „die Randbedingungen des Gutachtens nachträglich zu verändern“. Diesen „Versuch der Manipulation eines unabhängigen Gutachters“ werde man nicht hinnehmen.

Völlige Unwirksamkeit hatte das Bundesumweltministerium dem künstlichen Nebel allerdings auch gar nicht unterstellt. Nach seiner Auffassung verringert der Nebel die Wahrscheinlichkeit eines gezielten Auftreffens auf das Reaktorgebäude jedoch „nicht ausreichend“. Nun müssen nicht nur die Betreiber ihr Schutzkonzept nachbessern. Auch die Länder sollen ihre jeweiligen AKWs auf Gefahr durch Flugzeugabstürze untersuchen und dabei ermitteln, ob sich die drohenden Schäden vermindern lassen. JÜRGEN VOGES