„Die Arbeitslosen zerquetschen“

betr.: „Rhetorisch im Abseits“ (Kommentar), taz vom 2. 5. 03

Die Rhetorik von den Gewerkschaftern mag durchaus martialisch/deftig klingen – Tatsache ist allerdings, dass diese Rhetorik beim so genannten „Joe-Sixpack“ eine breite Zustimmung erkennen lässt. Polit-Hasardeure wie Westerwelle, Rogowski, Hundt etc. haben und hatten immer nur das Ziel, ihre selbstsüchtigen egoistischen Forderungen rhetorisch in soziale Wohltaten zu verpacken. Das alte Spiel mit dem Trojanischen Pferd.

Die deutschen Unternehmer waren noch nicht einmal in der Lage, während der Boomzeit, also vor dem NASDAQ/NEMAX-SUPER-GAU, eine Belebung der Wirtschaftsparameter und entsprechende Aktivitäten/Investitionen zu realisieren.

Jetzt, da die „größten ökonomischen Versager“ dieser Republik (Banker/Analysten, BDA, DIHT & Co.) eine „bad Bank“ geschenkt bekommen haben, um ihre notleidenden Kredite auszulagern, mutiert der Steuerzahler zum „Zwangsgläubiger“! Und Faktum ist, dass in Gänze das wesentliche Steueraufkommen aus der „Lohn- und Mehrwertsteuer“ gespeist wird!

Anhand dieser Tatsachen ist Schröders Agenda 2010 ein Schuhtritt in das Gesicht jedes denkenden Menschen. Zur Veranschaulichung empfiehlt sich das Titelcover der Satirezeitschrift Titanic (Saddams Infominister als Schröders neuer Informationsminister: „Wir werden die Arbeitslosen zerquetschen wie die Söhne einer räudigen Bergziege“). KLAUS R. RAUSCH, Klettgau

Friedrich Merz und Guido Westerwelle wollen die Gewerkschaften entmachten. Das war am 1. Mai anzusprechen. Daran zu erinnern, was vor 70 Jahren die Nazis mit den Gewerkschaften machten, war auch angebracht. Wenn B. Dribbusch kritisiert, dass dabei Verbindungslinien gezogen wurden, hat sie Recht. Nicht Recht hat sie, wenn sie in ihrer Kritik an konzeptionsloser Gewerkschaftsrhetorik im Zusammenhang mit den geplanten Sozialreformen den Unterschied von Beitrags- und Steuerlast verwischt.

Die Steuerlast hat sich eher vermindert in den vergangenen Jahren und wird weiter sinken, wenn die schon beschlossene Steuerreform realisiert wird. Warum die Gewerkschaften fordern, die verwaltungsaufwendige und besonders mittelstandsfeindliche Vermögensteuer wieder einzuführen, ist allerdings nicht zu verstehen. Zu fordern, dass der Spitzensteuersatz nicht so weit wie vorgesehen abzusenken ist, wäre erfolgversprechender. Mit den Beiträgen zur Sozialversicherung erwerben die Versicherten persönlich Ansprüche. Wer heute Beiträge zahlt, kann morgen schon Leistungen empfangen. Beitragszahler und Leistungsempfänger bilden eine Solidargemeinschaft. Über den notwendigen Versicherungsbedarf kann man streiten.

Wie das Sozialprodukt bei der bekannten demografischen Entwicklung in der Zukunft gerecht aufzuteilen ist zwischen Erwerbstätigen und der übrigen Bevölkerung, sollte man zunächst unabhängig von den Problemen der Sozialversicherung diskutieren. Wenn aktuell Leistungen wie das Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung herausgenommen werden, müssten die Gewerkschaften in den Tarifverhandlungen dafür einen Lohnausgleich fordern, da die Unternehmer einen Teil des Arbeitgeberanteils einsparen.

Ich verstehe nicht, warum die Gewerkschaften die allgemein geschmähten Lohnnebenkosten nicht offen und deutlich als Verdienst der abhängig Beschäftigten reklamieren. Die paritätische Beitragsabrechnung erscheint mir dagegen ein Moment, das die Sozialversicherung schwer durchschaubar macht und deshalb bei entsprechendem Lohnausgleich aufgegeben werden sollte.

DIETRICH JAHN, Hannover

Die Rechte der Arbeitnehmer sollen immer stärker zu Gunsten der Unternehmer eingeschränkt werden, Minijobs und Hungerlöhne werden angeboten und mit Hilfe der Regierung (Arbeitsamt) durchgesetzt. Wenn dann das Verhalten der verantwortlichen Sozialdemokraten von 1930–33 betrachtet wird (Duldung der Regierung Brüning, keine Gegenwehr bei der unrechtmäßigen Absetzung der sozialdemokratischen preußischen Regierung), hat es viel Ähnlichkeit mit dem Verhalten unserer Regierung, die nur von Gerechtigkeit spricht, sich aber nicht traut, sie durchzusetzen, dafür aber dem Kapital in den Hintern kriecht und gar nicht merkt, dass da schon besetzt ist.

Die Frage, wer ist der Schwache, stellt sich bei dieser Sozialreform tatsächlich. Dass eine Reform notwendig ist, ist sicher unbestritten, einmal werden die Menschen älter, was bezahlt werden muss, zum anderen produzieren immer weniger Arbeitnehmer immer mehr. Die wenigen können natürlich nicht immer mehr Beiträge bezahlen, aber da der Profit dadurch ja erheblich gestiegen ist, muss der Katalog der Sozialleistung verändert werden, einiges aus dem Katalog der Sozialleistung verändert werden, einiges aus dem Katalog muss direkt, von allen Unternehmen, aus einer Abgabe (Wertschöpfungsabgabe o. Ä.) finanziert werden.

GÜNTER LÜBCKE, Hamburg

betr.: „Der Kanzler ist doch nicht Gott“, taz vom 2. 5. 03

Der Basta-Kanzler hätte besser gleich Tacheles reden sollen: Gefangen im Strudel des Globalisierungswahns sind wir auf dem Weg zurück in die freie Marktwirtschaft. Sozialstaat, ade! Mehr und mehr kristallisiert sich heraus, dass längst nicht mehr die Bürger (welche laut Schröder „volle Backen, aber wenig im Kopf“ haben) Einfluss auf die Politik üben, sondern die Politik dem Diktat der Großkonzerne unterliegt. Demontage der paritätischen Finanzierung der Sozialversicherung, ein Billigjob-System als Unternehmer-Eldorado – Arbeitnehmer sind ohnehin nur noch lästige Kostenfaktoren. Die Anzeichen sind offensichtlich.

Auf dass sich Infineon-Chef Schumacher – wie der taz am 30. 4. zu entnehmen war – bald erneut die Bezüge um 20 Prozent erhöhen kann, während er aus Kostengründen 5.900 Arbeitsplätze wegrationalisiert. Und als Dank für die schröderschen Vergünstigungen liebäugelt die Firmenspitze mit dem Umzug ins Ausland. Diese Kaltschnäuzigeit bedarf dringender Reformen! Dann wäre sicher auch der „kleine Mann“ bereit, Opfer für wahren Fortschritt in unserem Land zu erbringen. MARTIN LINKOHR, Köthen

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