DIÄTENERHÖHUNG IN KIEL GESCHEITERT – SCHADE FÜR DEN STEUERZAHLER
: Gute Sache, schlecht verkauft

Es ist so leicht, Skandal zu schreien. Da soll die Unterstützung für Langzeitarbeitslose gerade auf Sozialhilfeniveau gekürzt werden, und gleichzeitig wollten sich die Abgeordneten des Kieler Landtags ihre Diäten von knapp 4.000 Euro auf 5.700 Euro monatlich erhöhen. Die Boulevardpresse schlug Alarm, die eigenen Parteiverbände rückten von dem Vorschlag ihrer Landtagsabgeordneten ab, und am Ende mussten die Parlamentarier den Gesetzentwurf kleinlaut zurückziehen.

Dabei ist das Scheitern der Diätenerhöhung bedauerlich, weil es eine längst fällige Strukturreform auf absehbare Zeit blockiert. Eine Kommission unter dem Vorsitz des früheren Verfassungsrichters Ernst Benda hatte das Konzept dafür erarbeitet – und für ihre ursprüngliche Idee, die Diäten sogar auf 7.000 Euro anzuheben, immerhin eine Auszeichnung des Steuerzahlerbunds erhalten. Denn mit dem Aufschlag sollten die bisherigen Zulagen für parlamentarische Funktionsträger größtenteils entfallen. Und wichtiger noch: Die Abgeordneten hätten für ihre Kranken- und Rentenversicherung künftig selbst aufkommen sollen.

Bendas Reformkonzept hätte ein Vorbild nicht nur für andere Parlamente, sondern auch für Minister und Staatssekretäre sein können. Sie hätte den entscheidenden Konstruktionsfehler der Politikerbezahlung beseitigt: Einerseits werden Politiker während ihrer aktiven Zeit für den aufreibenden Job so schlecht bezahlt, dass der Beruf fast nur noch für Profilneurotiker attraktiv ist. Dafür werden sie schon nach kurzer Amtszeit mit üppigen Ruhegeldern entschädigt, die den Staatshaushalt auf Jahrzehnte hinaus belasten – und von denen gewöhnliche Arbeitnehmer nicht einmal träumen können. Eine Reform der Altersversorgung hätte auch ein Vorbild für die Beamten sein können, deren Pensionen ebenfalls schwer auf den Etats von Bund, Ländern und Kommunen lasten.

Dazu wird es jetzt nicht kommen. Nach dem Debakel in Schleswig-Holstein wird sich so schnell kein Politiker mehr auf das verminte Gelände einer Diätenreform begeben. Anders als die Kieler Politiker jetzt glauben machen, ist das allerdings nicht die Schuld der Medien. Vielmehr haben die Akteure so ziemlich alles falsch gemacht, was man bei dem sensiblen Thema falsch machen kann. Sie haben – wie Benda es formulierte – „Rosinenpickerei“ betrieben und nur den genehmen Teil der Kommissionsvorschläge umgesetzt. Sie wollten die Einschnitte erst 2005 umsetzen, das dicke Plus aber schon 2003 auf ihrem Konto verbuchen. Sie haben eine gute Sache schlecht verkauft und mit ihrem unprofessionellen Taktieren Politikern wie Steuerzahlern in ganz Deutschland einen Bärendienst erwiesen. RALPH BOLLMANN