Kritik am deutschen Spielverderber

Viele Polen glauben, dass Deutschland ihnen den „Triumph“ im Irak missgönnt. Präsident Kwaśniewski will zwischen Bush und Schröder vermitteln. Auch möchte Polen Deutschland an der Irak-Friedenstruppe beteiligen. Nur: Gefragt hat Berlin keiner

aus Warschau GABRIELE LESSER

Polen will sich seinen Siegesrausch nicht nehmen lassen. Schon gar nicht von „frustrierten Deutschen“, deren bisherige Rolle als engster Freund und Verbündeter der USA seit dem Irakkrieg von Polen eingenommen werde. Nach und nach, so sind zumindest die Medien in Polen überzeugt, werden die Amerikaner auch ihre Militärbasen von Deutschland nach Polen verlegen. Den Anfang mache eine amerikanische Fliegerstaffel, die nach Krzesiny bei der westpolnischen Stadt Posen verlegt werden soll. Noch habe sich zwar US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld nicht festlegen wollen, wie viele amerikanische Kampfjets dort ab 2006 stationiert werden sollen. Doch Polen forciert den Ausbau und die Modernisierung von weiteren sechs Flughäfen. Denn, so hat der Washington-Korrespondent der liberalen Gazeta Wyborcza erfahren: „Das Pentagon will nicht, dass die Deutschen weiter Millionen Dollar am Unterhalt der US-Militärbasen verdienen, wenn diese nicht auch die Politik der USA gegenüber dem Irak unterstützen.“

Am Montagabend zeigten die Abendnachrichten des polnischen Fernsehens noch einmal den Sieg der Polen im Irak. Panzer wühlen sich durch den Sand, Soldaten triumphieren in Bagdad, Polens Eliteeinheit Grom posiert vor einer US-Flagge. Die Iraker jubeln. Diesen großartigen Triumph, sagt der Kommentator, würden die Deutschen den Polen nicht gönnen. Nur deshalb würden sie die enge Freundschaft der Polen mit den USA kritisieren und ihren Ärger über das eigene Versagen gegenüber dem größten Bündnispartner an Polen auslassen.

Die Idee des gemeinsamen Europas, das mühsam mit vielen Telefonaten, Gesprächen, Konferenzen geschaffen werden muss, ist den meisten Polen fremd. So ist es denn auch von polnischer Seite nur gut gemeint, wenn Präsident Aleksander Kwaśniewski anbietet, zwischen Schröder und Bush zu vermitteln, oder wenn Verteidigungsminister Jerzy Szmajdziński in Washington vorschlägt, dass deutsche und dänische Soldaten im polnischen Sektor in Irak Friedenssicherung betreiben könnten und damit gewissermaßen wieder „ins Spiel“ kämen. Das Problem ist nur: In beiden Fällen haben die Polen die Deutschen nicht gefragt, ob diese das überhaupt wollen.

Seit Monaten fragt Polen weder bei den EU-, Nato- noch UNO-Partnern nach, wie eine gemeinsame Politik oder eine Arbeitsteilung in der Außenpolitik aussehen könnte. Immerhin versucht nun Adam Michnik, Chefredakteur der Gazeta Wyborcza, die Empörung der Polen über die angeblich so missgünstigen Deutschen zu dämpfen. Allerdings tut er dies mit Argumenten, die die meisten Nato- und EU-Mitglieder wohl etwas desillusionieren dürften. Denn Michnik ist überzeugt, dass die Sicherheit des Nato-Mitglieds Polen allein von den USA garantiert würde. Polen habe in der Vergangenheit mit Deutschland und Russland schlechte Erfahrungen gemacht. Andererseits, so Michnik, wolle Polen der EU beitreten und von deren Wirtschaftshilfe profitieren. Daher müsse Polen auch berücksichtigen, was die beiden wichtigsten Staaten in der EU, Frankreich und Deutschland, zu sagen hätten. Vielleicht, so gibt er am Ende zu bedenken, wäre es für Polen doch besser, keinen Militärsektor im Irak zu übernehmen, sondern die Aufgabe der Friedenssicherung der UNO oder der Nato zu überlassen.