Revolution im Tank, aber nicht für die Umwelt

Volkswagen und Shell entwickeln Sprit aus Erdgas als Vorstufe zum Biomassetreibstoff. Umweltbundesamt übt Kritik

BERLIN taz ■ Stellt schadstoffarme Kraftstoffe her, forderte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gestern die Industrie auf – und gab den Startschuss für eine Versuchsflotte: In 25 Autos aus dem Hause Volkswagen soll fünf Monate lang ein neuer Designkraftstoff aus Erdgas getestet werden. „Synfuel“, heißt der Stoff, den der Ölmulti Shell gemeinsam mit dem niedersächsischen Autobauer entwickelt hat.

„Kristallklar, farblos und schadstoffarm“, so schwärmt VW-Pressesprecher Hartmut Hoffmann, sei der neue Saft für des Deutschen liebstes Kind. In größeren Mengen allerdings, schränkt Shell-Europa-Präsident Adrian ein, werde er erst ab 2008 angeboten. Was Synfuel kosten wird, ist noch unklar. Dies hängt vor allem davon ab, ob er wie andere Biotreibstoffe von der Mineralölsteuer befreit wird.

Der Erdgas-Kraftstoff soll sowieso nur eine Vorstufe zu anderen Alternativen sein. „VW holt die Sonne in den Tank“, verkündet Sprecher Hoffmann. Künftig wollen die Wolfsburger – ebenfalls gemeinsam mit Shell – einen Sprit aus Biomasse gewinnen. Die chemische Struktur von „Sunfuel“ ist die gleiche wie beim jetzigen Test-Treibstoff.

Zwar ist noch kein Liter verkauft, markenrechtlich geschützt ist der werbewirksame Name aber schon. Schließlich rechnet VW-Chef Bernd Pischetsrieder mit guten Chancen: Rund die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Dieselkraftstoffs könnte nach ersten, noch vagen internen Schätzungen durch das Sonnenbenzin ersetzt werden.

Anders als bei bisherigem Biodiesel kommen für „Sunfuel“ nicht nur Raps, sondern Pflanzen, Holzspäne und Biomüll als Rohstoff in Frage. Das Grünzeug geht gehäckselt, gepresst und dann zu kohleförmigen Pellets geformt in einen Vergaser. Dort verwandelt es sich in ein Gemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid, das dann wiederum verflüssigt wird. Vorteil gegenüber herkömmlichem Treibstoff: Aus dem Auspuff kommt kein zusätzliches Kohlendioxid. Schließlich wird während der Verbrennung nur so viel Gas frei, wie die Pflanze zuvor aufgenommen hat.

„Diese Entwicklung ist die erfolgversprechendste überhaupt“, schwärmt Hans-Josef Fell, Energieexperte der Grünen. So biete sie auch für osteuropäische Bauern neue Perspektiven: „Sie können jetzt Energiewirte werden.“

Die Kritik kommt aus einer auf den ersten Blick unerwarteten Ecke: Andreas Ostermeier, Kraftstoffexperte im Umweltbundesamt, sagt: „Aus Umweltsicht macht der neue Treibstoff keinen Sinn.“ Um den für Pkws notwendigen reinen Sprit zu erzeugen, werde zu viel Energie gebraucht. Zudem müssten beim großflächigen Anbau der Rohstoffe wohl zu viel Dünger und Ackergifte eingesetzt werden. Er würde die Autokonzerne lieber in eine andere Richtung lenken: Autos müssten effizienter und leichter, Motor und Getriebe wirksamer werden. Damit könne „der Verbrauch auf hundert Kilometer halbiert werden“. VW-Chef Pischetsrieder kümmert das nicht: Das VW-Sparauto, den Drei-Liter-Lupo, stellte er vor einem halben Jahr ein.

HANNA GERSMANN