Titeljagd mal drei

Der SC Magdeburg und die SG Flensburg/Handewitt müssen unter sich klären, wer derzeit die beste deutsche Handball-Mannschaft ist. Das Vorspiel in der Bundesliga gewinnt der SCM mit 32:26

AUS MAGDEBURG FRANK KETTERER

Der Mann am Mikrofon war nicht der Erste, den die glorreiche Idee euphorisierte, aber er tat sie immerhin am lautesten kund. „Heute“, ließ er den Grund für all den Frohsinn im tobenden Hallenkessel in bester Marktschreier-Manier aus den Lautsprecherboxen quellen, „rechnen wir die Bundesligatabelle mal nach Minuspunkten.“ Und auch das Ergebnis dieser mathematischen Anstrengung wollte der gute Mann nicht schuldig bleiben: „Und da heißt der Tabellenführer SC Magdeburg.“ Dann erhoben sich die gut 8.000 Menschen in der proppevollen Bördelandhalle wieder von den Sitzen, klatschten in die Hände und stimmten erneut ihr fröhliches Liedchen an: „Deutscher Meister wird nur der SCM.“ Die Begeisterung war wirklich sehr groß am Dienstagabend in Magdeburg.

Dazu gab es ja auch guten Grund, schließlich hatten die einheimischen Gladiators, als die die Handballer des SC Magdeburg furchteinflößend und marketingtechnisch durchaus geschickt firmieren, gerade die SG aus Flensburg/Handewitt mit 32:26 geschlagen, damit, wie bereits vorgerechnet, einen Minuspunkt weniger als die Gäste angehäuft, führen mithin also, bei zwei Spielen weniger, ab sofort das Ranking der Handball-Bundesliga vor dem Rivalen aus dem hohen Norden an, zumindest wenn man dem Vorschlag des Hallensprechers Folge leistet. Da darf die Börde schon mal ein wenig wackeln.

Zumal es zwischen den beiden Kontrahenten durchaus um mehr geht als nur um einen Sieg und die momentane Tabellenführung. Flensburg und Magdeburg sind derzeit die unbestritten besten deutschen Mannschaften im Land des Handball-Europameisters. Und sie haben in den nächsten Wochen gleich in drei Wettbewerben Gelegenheit zu klären, wer die allerbeste ist: Noch im März (13./21.) stehen sie sich im Halbfinale der Champions League gegenüber, Anfang Mai in der Pokalfinalrunde, bis spätestens Ende Mai wird sich auch die Frage des neuen deutschen Meisters geklärt haben. Erst dann, da sind sich die Verantwortlichen einig, kann wirklich abgerechnet werden.

Dass sich am Dienstagabend Vorentscheidendes getan hat, wurde entsprechend unisono dementiert. „Es hat sich nichts verändert“, stellte beispielsweise Alfred Gislason mit seiner tiefen, brummigen Stimme fest. Kent-Harry Andersson, Kollege in Flensburger Diensten, sah das offensichtlich nicht viel anders. „Die Punkte in Magdeburg waren ohnehin nicht eingeplant“, ließ der Schwede auffällig emotionslos wissen, zumal er ohne die Verletzten Christian Berge sowie Sören Stryger hatte auskommen müssen – und damit ohne zwei seiner Besten. „Mir haben die Alternativen gefehlt“, klagte Andersson. Vor allem Mitte der zweiten Halbzeit, als die Gastgeber einen Hauch von Nachlässigkeit zeigten und aus einer 17:13-Pausenführung ein 22:22 (48.) geworden war, dürfte sich das negativ für die Flensburger ausgewirkt haben. Das Wissen, dass beide Leistungsträger in Bälde wieder mitwirken können, ließ Andersson die Niederlage noch leichter verschmerzen. „Ich bin trotzdem zufrieden“, sagte er.

Das ist erstaunlich für den Trainer einer Mannschaft, der lange Zeit der Ruf nachging, immer dann zu versagen, wenn die Saison in die entscheidende Phase tritt. Fünfmal Zweiter war die SG in den letzten Jahren in der Meisterschaft, viermal im Pokal. Das wenig schmeichelhafte Image des „ewigen Vize“ hatten sich die Flensburger auf diese Art erarbeitet, erst mit dem Gewinn des DHB-Pokals im letzten Jahr konnten sie diesen Makel zumindest ein wenig ablegen. Nun soll Andersson, im Sommer aus Nordhorn gekommen, den großen Rest besorgen. „Mit ihm“, sagt SG-Manager Thorsten Storm, „hat eine neue Philosophie Einzug gehalten. Es geht nun um innere Ruhe, Geduld und Gelassenheit“, die den Spielern ein „besonderes Selbstwertgefühl“ vermittele, und dieses führe wiederum zu bisher ungekannter Konstanz – und zwar auf höchstem Niveau. „Früher haben wir von unseren Inividualisten gelebt, heute sind wir wesentlich eingespielter“, nennt Torhüter Jan Holpert die Folgen, was heißen soll: Gute Handballer waren sie schon immer, jetzt sind sie auch noch eine gute Mannschaft. Wohin das führen soll, umschreibt der Trainer wiederum selbst: „Mein Ziel ist es, bereits in meinem ersten Jahr in Flensburg einen Titel zu holen.“

Die Chancen hierfür scheinen vor allem in der Meisterschaft nicht schlecht. Flensburg hat die weiteren Mitkonkurrenten wie Lemgo und Kiel allesamt noch zu Gast und kann die Chose dort klären, Magdeburg hingegen muss jeweils auswärts antreten. „Wenn wir bis dahin nicht fünf, sechs Punkte Vorsprung haben“, gibt SCM-Trainer Gislason zu, „wird es schwer für uns.“ Bisher führt der SCM gerade mal inoffiziell – mit einem Minuspunkt.

Das lässt Champions League und DHB-Pokal für die Magdeburger fast von alleine in den Mittelpunkt rücken. „Natürlich ist es in der Champions League leichter. Das sind ja nur zwei Spiele, die man gewinnen muss, sagt selbst Alfred Gislason. Dass sie dazu gegen Flensburg prinzipiell in der Lage sind, haben sie gerade bewiesen.