Die Rollenverteilung ist das Problem

Neue Zahlen zu Einkommensunterschieden zwischen Männern und Frauen werden durch eine Studie relativiert

Die Nachricht kommt nicht überraschend: Frauen verdienen im Durchschnitt nach wie vor erheblich weniger Geld als Männer. Geschlechterdiskriminierung!, mögen da viele KritikerInnen ausrufen. Dass die Dinge aber so einfach liegen, stellt eine neue Studie in Frage, die das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung herausgegeben hat. Für Einkommensunterschiede gebe es eine „Vielzahl möglicher Gründe“, die diese Unterschiede „abseits von Diskriminierung“ auf dem Arbeitsmarkt erklärten, so der Passauer Wirtschaftswissenschaftler Hans-Joachim Allinger, Autor der Studie.

Die Statistiker führen als Gründe für die Einkommensdifferenz an, dass Männer und Frauen oft in unterschiedliche Leistungsgruppen eingestuft werden und Männer eher verantwortlichere und qualifiziertere Tätigkeiten ausüben als die Frauen. Außerdem wirke sich die längere Dauer der Betriebszugehörigkeit auf die Bezahlung aus.

Dabei stellt sich jedoch die Frage, welche Rolle die freiwilligen Entscheidungen der Frauen für bestimmte Tätigkeitsfelder spielen. Die „freiwillige Entscheidung für einen Beruf mit vergleichsweise geringem Gehalt“ dürfe „nicht mit Einkommensdiskriminierung“ verwechselt werden, warnt Allinger.

Kritiker behaupten dabei häufig, Tätigkeitsfelder, in denen Frauen arbeiteten, würden automatisch schlechter bezahlt als eher „männlich“ dominierte Berufe. Letzteres kann man jedoch nicht pauschal behaupten: Allinger stellte bei einem Vergleich des Einkommens in von Frauen bevorzugten Branchen keine großen Unterschiede zu den allgemeinen Durchschnittseinkommen fest.

Im Übrigen weist der Ökonom darauf hin, dass die niedrige Bezahlung in bestimmten „weiblichen“ Berufsfeldern auch schlichtweg daraus resultieren könnte, dass dort eben ein besonders hohes Arbeitskräfteangebot die Löhne drückt – auch das hätte mit „Geschlechterdiskriminierung“ nichts zu tun. Auf dem Jobmarkt sind beispielsweise die Friseurinnen ein gutes Beispiel für solche niedrigen Tarife in „beliebten Berufen“.

Nicht von der Hand zu weisen ist auch die Vermutung, dass viele Männer eine stärkere Erwerbsorientierung haben als manche Frauen – unabhängig von der Kinderfrage. Anhand einer Untersuchung von Hochschulabsolventen stellte Allinger fest, dass auch bei den kinderlosen Vollzeitbeschäftigten die Frauen im Schnitt über zwei Stunden weniger in der Woche arbeiteten als die Männer, was sich letztlich auch auf die Bezahlung auswirken könnte.

Bleibt die Frage nach der Familienphase, sie gilt landläufig als einer der üblichen Gründe, warum Frauen „keine Karriere“ machen. Allinger will und kann diese Frage nach der privaten Rollenverteilung nicht beantworten – und auch das sagt etwas aus. Wenn nämlich auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich weniger Frauendiskriminierung herrscht als gedacht und die Verdienstunterschiede zwischen Männern und Frauen dennoch so gravierend sind, dann, so könnte man schließen, müssen vor allem die Rollenverteilung im Privaten und tief sitzende Muster in den Köpfen dafür verantwortlich sein, dass Frauen materiell weniger „Karriere machen“. Und nicht selten liegt es eben auch an den Frauen selbst – was ja nicht nur eine schlechte Nachricht ist.

BARBARA DRIBBUSCH