Neuer Anlauf in Arafats Partei

Die palästinensische Führung will die Sicherheitskräfte vereinigen. Damit sollen das Chaos und die Zerstrittenheit der Polizeieinheiten überwunden werden

JERUSALEM taz ■ Die Partei von Palästinenserpräsident Jassir Arafat, Fatah, will ihre eskalierende innere Krise beilegen. Deshalb setzt die palästinensische Führung mit monatelanger Verspätung nun eine im Rahmen des internationalen Friedensplans „Roadmap“ eingegangene Verpflichtung um: die Zusammenlegung der Sicherheitsdienste. Der palästinensische Premierminister Ahmed Kurei erklärte gestern, Großbritannien habe die Finanzierung des für den Friedensprozess möglicherweise bahnbrechenden Projekts zugesagt.

Die gemeinsame Entscheidung der palästinensischen Regierung und des Nationalen Sicherheitsrates folgte auf den Mordanschlag auf den 59-jährigen Khalil al-Saben, einen engen Berater Arafats im Gaza-Streifen. Der Mord an dem bislang dienstältesten Fatah-Aktivisten reihte sich in eine Serie gewaltvoller Übergriffe auf führungstreue Personen und Einrichtungen. Bei dem jüngsten Zwischenfall in einer Polizeistation eröffneten die rivalisierenden Gruppen das Feuer aufeinander, nachdem ein bewaffneter Mann den Kommandanten geohrfeigt hatte. Die Zusammenlegung der Sicherheitsdienste soll dem zunehmenden Chaos und dem Konflikt der zerstrittenen Polizeieinheiten Einhalt gebieten.

Jassir Arafat gab damit einer wiederholten Forderung seines parteiinternen Widersachers, des ehemaligen Sicherheitschefs Mohammed Dahlan, nach. Der Exminister für Sicherheitsfragen hatte im Herbst mit dem damaligen Premierminister Mahmud Abbas das Kabinett verlassen, auch weil Arafat ihm die Kontrolle über die Sicherheitsdienste verweigerte. Im Verlauf viertägiger Beratungen des Fatah-Revolutionsrats letzte Woche kritisierten die Reformer zudem, dass die Wahlen der Parteigremien seit über zehn Jahren überfällig sind. Eine erneute Definierung der Parteiziele stehe an. „Wir haben nur zwei Möglichkeiten“, so Dahlan gegenüber dem Palestine Report. „Entweder es gibt einen ‚coup d’etat‘ innerhalb der Bewegung oder Neuwahlen.“ Der Exsicherheitschef strebt ferner die Auflösung der militanten Al-Aksa-Brigaden an. Eine weitere Forderung ist, dass die Gehälter an die Polizei per Banküberweisung gezahlt werden und nicht wie bisher über die Offiziere laufen.

Innerhalb der Fatah wird der Mord an al-Saben als Botschaft an Arafat gedeutet. Al-Saben stand fast 40 Jahre als Medienberater und persönlicher Sekretär in Arafats Diensten. Zuletzt gab er ein Monatsmagazin heraus, das sich mit Menschenrechtsfragen und der Lage der palästinensischen Flüchtlinge befasste. „Das Magazin war bei seiner Ermordung nicht das Thema“, glaubt Ahmed Sabawi, ein früherer Berater von Dahlan. Die Situation im Gaza-Streifen nehme „zunehmend gefährliche Formen von Chaos und Anarchie“ an, was zunächst daran liege, dass „die Sicherheitsdienste schlecht organisiert sind“. Aus Protest gegen das Ausharren und Nichtstun der Führung reichte letzte Woche der Bürgermeister von Nablus, Ghassan Shakaa, seinen Rücktritt ein. Vor drei Monaten war Shakaas Bruder erschossen worden.

Ungeachtet der Entwicklungen wurden drei Palästinenser im Gaza-Streifen bei einem Luftangriff der israelischen Armee getötet. Die Bombardierung galt offensichtlich der Exekution eines Aktivisten des Islamischen Dschihad. SUSANNE KNAUL