Stolpe will sich besser konzentrieren

Nach dem Maut-Hickhack plant der Minister jetzt eine Reform der Ost-Förderung: Statt die Milliarden flächendeckend zu verteilen, will er nur noch „Wachstumskerne“ unterstützen. Damit übernimmt er ein Konzept der sächsischen CDU-Regierung

„Was nicht mehr zu ernähren ist, wird im Wald ausgesetzt“

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Die Nachricht schien ostdeutsche Landesregierungen am Dienstag nicht einmal sonderlich zu beunruhigen. Ost-Aufbauminister Manfred Stolpe will angesichts des seit 1997 stagnierenden Bruttoinlandsprodukts Ost die Förderung für die deutschen Ostgebiete stärker zentralisieren und auf Wachstumskerne konzentrieren.

Das verriet er der Landesgruppe Ost der SPD-Bundestagsabgeordneten bei einer Zusammenkunft in Zeuthen bei Berlin. „Es geht um eine Neujustierung des Aufbaus Ost“, sagte Stolpe. Er habe sich mit Wirtschaftsminister Clement, Forschungsministerin Bulmahn und Verbraucherschutzministerin Künast bereits darauf geeinigt, die Förderung zu bündeln.

Nach seinen Angaben verhandeln Bund und Länder über die Auswahl von Regionen, die von den Ländern festgelegt werden und die künftig gezielt Fördergelder erhalten. Das sächsische Wirtschaftsministerium bestritt jedoch, dass es bereits solche Verhandlungen gebe. Man sei von der SPD-Klausurtagung lediglich informiert worden.

Dem Stolpe-Rückzug ging eine Studie voraus, die der SPD-Finanzpolitiker Jens Bullerjahn Ende voriger Woche veröffentlichte. Der Geschäftsführer der Magdeburger Landtagsfraktion plädiert dafür, in einem schrumpfenden Land mit schwindenden Finanzen klare Schwerpunkte zu setzen – bei Mittelstandsförderung, Familienpolitik, Hochschule und Kultur.

„Die Richtschnur heißt Konzentration“, gab Bullerjahn die Richtung vor. Mit Blick auf die Wirtschaftsförderung heißt das für ihn, „regionale Wachstumspole“ zu entwickeln und nur noch bestimmte Branchen zu fördern. Auch der Ausbau von Straße und Schiene soll auf relativ starke Regionen konzentriert werden. Gebietsreformen und ein Abbau der öffentlich Bediensteten sollen den Konzentrationsprozess weiter befördern.

Die PDS in Magdeburg kritisierte den der Studie zugrunde liegenden Fatalismus, der nahe an der von Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) beschworenen „Allianz der Realisten“ liege. Die Analyse treffe durchaus zu, statt des Abbaus sei aber ein grundlegender Politikwechsel nötig. Ähnlich äußerten sich auch Gewerkschafts- und Wirtschaftsvertreter.

Dagegen sieht sich die sächsische CDU-Landesregierung durch die neue Linie der Bundesregierung bestätigt. „Die Starken stärken, ohne die Schwächeren untergehen zu lassen, ist seit Jahren sächsisches Erfolgsprinzip“, sagte Wirtschaftsminister Martin Gillo. Er verwies auf die Halbleitertechnik in Dresden und den Automobilbau in Zwickau oder Leipzig.

Die schon vom langjährigen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf forcierte „Leuchtturmpolitik“ war in Sachsen immer umstritten, gerade die SPD-Opposition zog dagegen zu Felde. Nach Ansicht der Kritiker hat die einseitige Förderpolitik dazu geführt, dass weite Landstriche in Mittelsachsen oder der Lausitz wirtschaftlich und kulturell veröden. Jugend ist dort immer weniger zu finden. Von der schönen Idee, dass die Lokomotiven in den Großstädten die schwächeren Regionen mitziehen, ist in der Praxis wenig zu spüren.

Entgegen der eigenen Parteilinie auf Landesebene nannte der Delitzscher CDU-Landrat Michael Czupalla das Stolpe-Vorhaben jetzt „absolut unverständlich“. Damit lag er auf einer Linie mit dem sächsischen PDS-Fraktionschef Peter Porsch, der bissig kommentierte: „Die Bundesregierung geht damit zum Hänsel-und-Gretel-Prinzip über. Was nicht mehr zu ernähren ist, wird im Wald ausgesetzt.“

Erst im vergangenen Herbst hatten die Oppositionsparteien PDS und SPD gemeinsam mit CDU-Kommunalpolitikern den Landesentwicklungsplan der sächsischen Staatsregierung gekippt. Er sah bereits vor, der Förderung so genannter Mittelzentren zugunsten der wenigen Oberzentren zu kappen. Angesichts schwindender Ressourcen ist eine solche Konzentration in der Hochschul- und Kulturpolitik aber schon in vollem Gange.

Die ausschließliche Förderung von Wachstumskernen hatten Anfang Februar auch schon die FDP und BDI-Präsident Michael Rogowski in ihrem „Ostpapier“ gefordert. Ländliche Regionen müssten sich mit einer „unausweichlichen Ausdünnung“ abfinden, sagte FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper. Thüringens Wirtschaftsminister Jürgen Reinholz hat hingegen davor gewarnt, die strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands abzukoppeln. „Wer diese Regionen fallen lassen will, muss aufpassen, dass er nicht selbst mit in den Abgrund gerissen wird“, sagte er.