Warten. Schadenfreude. Schmidt?

Der Beitrag von SPD und Grünen zur Bundespräsidentenfrage ist übersichtlich. Die undankbare Aufgabe einer rot-grünen Zählkandidatin muss wahrscheinlich Familienministerin Renate Schmidt übernehmen

BERLIN taz ■ Schadenfreude? Natürlich. Aber SPD und Grüne genießen das „Gehänge und Gewürge“ (SPD-Generalsekretär Olaf Scholz) von Union und FDP in der Bundespräsidentenfrage still. Es ist ihnen nur recht, dass die chaotische Kandidatensuche eine aufgeregte Diskussion über die SPD-Schlappe in Hamburg erstickt. Und so haben sich die Spitzen von SPD und Grünen bei einem Koalitionsgespräch am Dienstagabend darauf geeinigt, in der Bundespräsidentendebatte weiterhin Zurückhaltung zu üben: keine Spekulationen, keine Namen, schon gar keine einer möglichen rot-grünen Gegenkandidatin.

Für das rot-grüne Lager hat sich die Situation auch nach den überraschenden Gesprächen von FDP-Chef Guido Westerwelle mit Gerhard Schröder und Franz Müntefering einerseits sowie mit Reinhard Bütikofer andererseits nicht geändert. SPD und Grüne sehen sich nach wie vor nicht als Player in dem Pokerspiel. Westerwelle hat die Führungsleute von SPD und Grünen zwar gefragt, ob sie sich vorstellen könnten, die frühere liberale Ausländerbeauftragte Cornelia Schmalz-Jacobsen zur Bundespräsidentin zu wählen. Dieses Angebot wird jedoch sowohl von den Roten als auch von den Grünen als reine Taktik bewertet. Dem FDP-Chef sei es allein darum gegangen, vor dem Gespräch mit Angela Merkel und Edmund Stoiber eine Drohkulisse aufzubauen, heißt es. Westerwelle habe den Kritikern in den eigenen Reihen beweisen müssen, dass er wirklich alle Chancen für einen liberalen Kandidaten auslotet.

Als Indiz für Westerwelles rein taktisches Kalkül spricht der Verlauf der Gespräche mit Schröder und Müntefering sowie mit Bütikofer. Der FDP-Chef hat den liberalen Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Gerhardt als seinen persönlichen Kandidaten bezeichnet. Erst danach fragte er, ob sich SPD und Grüne auch Schmalz-Jacobsen vorstellen könnten. Daraufhin hielten sich Schröder und Müntefering bzw. Bütikofer natürlich bedeckt. Aber klar ist: Bei einem ernsthaften FDP-Angebot hätte Schmalz-Jacobsen alle Chancen, von SPD und Grünen mitgewählt zu werden.

Rot-Grün wird erst reagieren, wenn Union und FDP einen (oder zwei) Kandidaten präsentieren. Die Koalitionsparteien sagen nicht, ob sie eine Kandidatin Annette Schavan mitwählen würden. Bei Horst Köhler kann das ausgeschlossen werden. Die potenzielle rot-grüne Gegenkandidatin soll bereits feststehen. Es ist wohl Familienministerin Renate Schmidt (SPD). Offizielle Bestätigung? Natürlich keine. JENS KÖNIG