Ein paar Sekunden Bedauern

Fast ein Jahr lang durfte Wolfgang Schäuble auf die Präsidentschaft hoffen. Nun lassen ihn die Parteifreunde fallen. Kurz und schmerzlos

VON LUKAS WALLRAFF

Was in Wolfgang Schäuble vorgeht? Der Mann ist klug genug, zu schweigen. Ein Jahr lang war er als Bundespräsident im Gespräch. Ein Jahr lang hatten ihm wichtige Parteifreunde Hoffnung auf eine Krönung seiner Laufbahn im Schloss Bellevue gemacht. Doch das entscheidende Wort fehlte. Ein Jahr lang musste der frühere CDU-Chef vergeblich darauf warten, dass sich seine Nachfolgerin Angela Merkel öffentlich zu seiner Zukunft äußert. Bis gestern, um 14.08 Uhr, im Konrad-Adenauer-Haus.

Zum ersten Mal überhaupt spricht Merkel offiziell über ihre persönliche Präferenz für das höchste Staatsamt – und gibt ihre Unterstützung Schäubles bekannt. In der Vergangenheitsform.

„Edmund Stoiber und ich haben unsere Präferenz für Wolfgang Schäuble sehr deutlich gemacht“, berichtet Merkel über das Treffen mit FDP-Chef Guido Westerwelle. Der „Dreiergipfel“ der Präsidentenmacher hatte am Vorabend in der Privatwohnung des Oberliberalen (Klingelschild: „G. W.“) stattgefunden. Frierende Fernsehreporter hatten den Zuschauern mangels anderer Erkenntnisse geschildert, in welchem Fenster der Westerwelle-Wohnung gerade das Licht aus- und wieder anging. Jetzt berichtet Merkel, was dort abgelaufen sei: „Bedauerlicherweise hat sich die FDP unserer Präferenz nicht angeschlossen.“

Für Schäuble bedeutet diese Nachricht wohl das Aus. Wie es aussieht, wird seine Karriere nicht gekrönt, sondern beendet. Für Merkel kein Anlass, näher auf den Vorgang einzugehen. Um 14.09 Uhr ist das Thema Schäuble abgehakt. Sie sei „optimistisch“, dass Union und FDP einen gemeinsamen Kandidaten finden, sagt Merkel noch. Alle drei Parteichefs müssten erst mal „in die Gremien“. Nein, sie könne keine Namen nennen. Tschüs, und auf Wiedersehen.

Mit Stoiber hat sich Merkel schon geeinigt – auf die Sprachregelung. Auch er sagt, Schäuble sei „bedauerlicherweise“ auf Widerspruch gestoßen. Auch er vermeidet jeden Anflug von Emotionen. Man muss ja ein gutes Pokerface zum Präsidentenpoker machen, in dem Merkel von Anfang an unterstellt wurde, sie wolle Schäuble nicht. Es heißt, die beiden hätten sich in der CDU-Spendenaffäre zerstritten. Damals, vor vier Jahren, begann mit Schäubles Rücktritt als Parteichef Merkels Aufstieg.

Und jetzt? Merkels Helfer könnten Legenden streuen, wie sehr sich ihre Chefin intern für Schäuble eingesetzt habe, und nur die böse FDP… Sie tun es nicht. Sie deuten vielmehr an, eigentlich sei Schäuble am Montag schon verloren gewesen. Dass sich die Parteirechten Roland Koch und Friedrich Merz so vehement für Schäuble in den Ring geschmissen hätten – das habe die Ablehnung der FDP erst richtig „festgeklopft“. Als Generalsekretär Laurenz Meyer scherzend ins Foyer kommt, sind jedenfalls längst andere Namen im Gespräch: IWF-Chef Horst Köhler, Annette Schavan, Rudolf Seiters und Paul Kirchhof.

Eines immerhin dürfte Schäuble zu schätzen wissen: Bei seinem Abschied hat keiner Mitgefühl geheuchelt.