Schröder spielt allein weiter

Morgens machte sich der Gewerkschaftsbund noch Hoffnungen – und bat den Kanzler um ein Konjunkturprogramm. Doch am Nachmittag beendeten die mächtigen Gewerkschaften Ver.di und IG Metall das Parlieren: Kein Gespräch mit Agenda-Schröder!

von HEIDE OESTREICH

Es ist nicht das erste Mal, das der Bundeskanzler eine Unterredung mit seinen Kritikern so porträtiert: „Wir haben unsere Positionen ausgetauscht, jeder ist bei seiner geblieben. Ich bei meiner, er bei seiner“, sagte Gerhard Schröder (SPD) gestern nach einem Frühstück mit DGB-Chef Sommer. Das war morgens. Da machte Michael Sommer noch gute Miene: „Der DGB möchte raus aus dem Spiel: Wer setzt sich durch?“, sagte er nach dem Gespräch.

Doch IG Metall und Ver.di platzte gestern der Kragen: Dem „Schmusekurs“ Sommers wollten die linkeren Gewerkschaften nicht mehr zusehen. Nach Sommers Frühstückserfahrungen war auch klar, dass der Gewerkschaftsrat zur Kaffeezeit um keinen Deut angenehmer würde. Nach einem Streit über das weitere Vorgehen sagte der DGB schließlich ab.

Michael Sommer wollte es eigentlich anders. Der Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes hatte dazu ein eigenes Konjunkturprogramm entworfen, das man auch als Kompensation für die Schmerzen, die Schröder mit seiner Reformagenda 2010 den Arbeitnehmervertretern antut, hätte lesen können: Die Einkommensteuerreform vorziehen, Investitionszulagen in Höhe von zwei Milliarden Euro, um die Binnenkonjunktur zu befeuern. Dazu hätten, laut DGB, fünf Milliarden Euro als Spritze für die öffentlichen Haushalte und zwei Milliarden Steuererleichterungen für Altbausanierungen zu kommen.

Wie Gerhard Schröder auf das DGB-Programm reagierte, ist nicht überliefert. Die Dach-Gewerkschafter jedenfalls beendeten zunächst die Suche nach der Hintertür, nach dem Signal, dass man seinen wichtigsten Wahlhelfer nicht vollständig in die Wüste schickt.

Die Gewerkschaften sind in einem ähnlichen Dilemma wie die SPD-Linke: Schröders Druckmittel, der Rücktritt, wiegt so schwer, dass er bei seiner ignoranten Haltung der „Eins-zu-eins“-Umsetzung seiner Agenda 2010 bleiben kann. Sogar die bayerische Basis, aus der in den letzten Wochen die stärkste Kritik an Schröder gekommen war, blieb bei der Regionalkonferenz in Nürnberg handzahm. Die Begehrens-Linken wurden zur Zurückhaltung aufgefordert, damit „die Basis“ sich äußern könne. Dass sie keine Reformen wollten, mag die sich nicht nachsagen lassen. Dass so mancher diese Reform so nicht will, erscheint angesichts der Schröder’schen Dampfwalzenpolitik wie Haarspalterei. So durfte „die Basis“ also äußern, dass sie Schröder als Kanzler behalten wolle – und dass „es uns ja nun wirklich nicht so schlecht geht, wenn wir noch dreimal im Jahr in Urlaub fahren können“, so eine Delegierte.

Verständnis für die Gewerkschaften hat der Arbeitnehmer-Vertreter in der SPD-Fraktion, Ottmar Schreiner: „Der Arbeiter, der 45 Jahre eingezahlt hat, das ist genau unser Stammwähler“, so Schreiner zur taz, „dem kann man nicht nach anderthalb Jahren Arbeitslosigkeit das Geld streichen.“ Anders als die Gewerkschaften macht er konkrete Gegenvorschläge: Eine Staffelung, die sich an den geleisteten Arbeitsjahren orientiert, erscheint ihm etwa handhabbar. Ein Modell, das pikanterweise gerade von der CDU propagiert wird. So weit die verkehrte Welt der SPD.

Die Gewerkschaften haben sich nun ebenfalls ehrlich gemacht. Die Lust der Basis und auch der IG Metall auf Polarisierung ist seit langem groß – wie der Zuspruch bei den Demos zum 1. Mai zeigte. Nun wird wieder mit dem „heißen Mai“ gedroht. Ob der kommt, steht auf einem anderen Blatt. Wer möchte schon zum zweiten Mal als Totengräber einer sozialdemokratischen Bundesregierung in den Geschichtsbüchern landen?