Ratenzahlung für Suchttherapie

Die Gesundheitsreform trifft vor allem sozial schwache Suchtkranke. Um an Geld für Praxis- und Rezeptgebühren und Fahrtkosten zu kommen, werden einige der Methadonpatienten kriminell

VON MERJAM WAKILI

Suchtkranke SozialhilfeempfängerInnen werden von der Gesundheitsreform, Praxisgebühr und Medikamentenzuzahlung hart getroffen. Nur um ihre Methadon-Therapie fortsetzen zu können, werden Suchtkranke vermehrt kriminell: Sie stehlen, gehen auf den Strich oder dealen.

Was dramatisch klingt, ist seit in Kraft treten der Gesundheitsreform in Ruhrgebietsstädten Realität. „Die Reform produziert Kriminelle“, sagt Jürgen Hoesmann, Suchtmediziner aus Dortmund. Menschen, die kein Geld haben, würden so behandelt, als hätten sie welches. „Wenn jemand Sozialhilfe empfängt und am Existenzminimum lebt, werden Medikamente unerschwinglich“, fährt Hoesmann fort. Er ist einer von 35 Ärzten, die in Dortmund Substitutionsmedikamente, also beispielweise Methadon, an Heroinsüchtige verschreiben. Ihm sind Fälle bekannt, in denen SuchtpatientInnen für die Praxis- und die Rezeptgebühr „mal eben zum Bahnhof gegangen sind“, dort haben sie gestohlen oder sich prostituiert.

Im Drogenhilfezentrum Düsseldorf können Suchtkranke die Gebühren ratenweise abbezahlen, um nicht zu Beginn des Quartals eine größere Summe entrichten zu müssen. „Die Reform ist für Sozialbenachteiligte viel zu kurz gedacht“, sagt Jochen Alxnat, Leiter des Drogenhilfezentrums. Er habe auch von Patienten gehört, die das Methadon-Programm abgebrochen hätten.

Wer in einem Methadon-Programm ist, gilt nach der Gesundheitsreform als chronisch krank. Die Grenze für die Rückerstattung der Zuzahlungen liegt bei ein Prozent des Bruttojahreseinkommens. 35 Euro jährlich, die aber in den meisten Fällen bereits im ersten Quartal anfallen, sind für Sozialhilfeempfänger „nicht bezahlbar“, meint auch Heribert Feiertag, Leiter der Methadonambulanz in Düsseldorf: „Die Beschaffungskriminalität steigt durch die Zusatzkosten an.“ Viele Suchtkranke gehörten zu den sozial Schwächergestellten.

Wer in ländlichen Gebieten wohnt und für sein Methadon-Programm täglich in umliegende Städte fahren muss, trifft es am härtesten. Denn die Fahrtkosten übernimmt nicht jede Krankenkasse. „Es gibt einige, die nun schwarzfahren, weil sie kein Geld für ein Ticket haben“, sagt Silvia Wilske von der Krisenhilfe in Bochum. Auch sie fürchtet, dass die Beschaffungskriminalität ansteigt. Bei Suchthilfe Direkt in Essen sieht man das anders: Praxis- und Rezeptgebühr seien zwar eine zusätzliche Belastung. „Die verhältnismäßig geringen Kosten von 35 Euro führen nicht zu mehr Kriminalität“, sagt Oliver Kleinert-Cordes von der Abteilung Substitution. Wenn es die Suchtkranken auf die Reihe bekämen, die Quittungen aufzubewahren, dann funktioniere auch die Rückerstattung ohne Probleme.