Künstler malen schwarz

Der Hauptausschuss plädiert für jähes Ende des Ateliersofortprogramms und will 1,2 Millionen Euro streichen. Künstler laufen Sturm dagegen und fürchten um Existenz. Kultursenator will Kompromiss

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Der Berufsverband der Bildenden Künstler Berlins schäumt. Der Atelierbeauftragte des Senats nimmt Kraftausdrücke in den Mund. Und selbst sonst besonnen wirkende Kulturpolitiker rasten aus. „In einer Nacht -und Nebel-Aktion hat die Koalition aus SPD und PDS im Hauptausschuss beschlossen, die Mittel für das Ateliersofortprogramm zu sperren und es damit zu beenden.“ Der Ausschuss habe „geputscht“, das Land betreibe „Kulturzerstörung“.

Kunst und Künstler würden zu „Geiseln“ der Partei- und Finanzpolitik, poltert etwa der Verbandschef der Künstler, Herbert Mondry. Die Forderung nach Streichung der Atelierförderung – auf der letzten Sitzung des Parlamentsgremiums – in Höhe von 1,2 Millionen Euro jährlich müsse korrigiert werden, sonst stünden „mehr als 100 Kollegen vor dem Nichts“, weil sie ihre Arbeitsräume nicht mehr finanzieren könnten.

Nun ist es nicht die Aufgabe des Hauptausschusses, Kulturpolitik zu betreiben, sondern die Finanzen des Landes zu kontrollieren. Doch das Verständnis für diese ungewöhnliche Entscheidung einer erneute Sparauflage für kulturelle Institutionen fällt schwer: Seit zehn Jahren arbeitet das Berliner Atelierprogramm erfolgreich und unterstützt die Künstler mit Mietsubventionen für ihre Arbeitsstätten. Rund 350 Atelierräume werden gefördert, die Künstler bezahlen 60 Prozent der anfallenden Kosten. Da ein Teil der Ateliers sich in landeseigenem Besitz befindet, nimmt Berlin zudem Gelder durch Mieteinnahmen ein.

Bei einem sofortigen Ende des Programms müsste dagegen in die von privater Seite vermieteten Räume über die Dauer der Mietverträge weiter investiert werden. „Grotesk“ findet das Mondry, „denn mit dem Sparbeschluss wird kein Cent gespart, im Gegenteil, das Land wird künftig Leerstand finanzieren und Kulturzerstörung subventionieren.“

Aus Sicht der Haushälter zählt das wenig. Die 1,2 Millionen Euro sind nach Auskunft von Iris Spranger, haushaltspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, zwar nicht gestrichen, sondern „nur auf Eis gelegt“ worden. Dennoch gelte die Sperre, bis Kultursenator Thomas Flierl (PDS) ein neues Konzept zur Atelierförderung vorlegt. Dabei sollte insbesondere der große Leerstand von Büros und Wohnungen in schwer zu vermietenden Gebäuden berücksichtigt werden. Diese seien „wesentlich günstiger“ als viele derzeit angemietete Ateliers, so die Sprecherin. Die Gesellschaft für Stadtentwicklung, die im Auftrag des Landes Ateliers anmietet, müsse sich nach derartigen Beständen umsehen.

Flierl selbst weist den Vorwurf konzeptioneller Versäumnisse zurück. Es habe mehrfach darüber Gespräche mit den Atelierbeauftragten gegeben. Zugleich hält Flierl den Stopp der Förderung für nicht sinnvoll, „weil damit ein ganzes Programm instabil“ werden könnte, so der Senator zu taz. Außerdem sei der Glaube, mit der Anmietung freier Räume würden alle Schwierigkeiten gelöst, naiv. Flierl: „Man kann einen Bildhauer nicht einfach in eine leere Plattenbauwohnung in Marzahn setzen.“ Abgesehen davon könne das Atelierprogramm gar nicht ad hoc gestrichen werden, bestünden doch noch lange laufende Verträge.

Als mögliche Kompromisslinie vor einer Abstimmung im Abgeordnetenhaus sieht der Senator darum die Möglichkeit, die Atelierförderung auf 350 Räume zu begrenzen. Zudem könnten andere Atelierstandorte ausgelotet werden. Schließlich sei nichts gegen eine „Evaluierung“ des Atelierprogramms einzuwenden – etwa durch eine „effizientere Bewirtschaftung“ der Gebäude.

Im Kern der Aufregung stimmt die Kulturverwaltung aber der Sorge über den möglichen kulturellen Imageverlust für Berlin zu. Nach der Einstellung der sozialen Künstlerförderung durch das Land Berlin im vorvergangenen Jahr bedeutete ein gleicher Schritt für die Ateliers eine „problematische“ Situation für die Kunst und die Künstler in der Stadt. Gute Arbeitsbedingungen seien nötig, die Künstler zu halten.