John und Björn in Schuby

Heute und morgen treffen John McEnroe, Michael Stich und Boris Becker zu Schaukämpfen am Rothenbaum zusammen. Ein kurzer Blick zurück in die Zeit, als die Tenniswelt noch gut war

von PETER AHRENS

Es war kein besonders schöner Sommer vor 23 Jahren. Windig, kühl, der Familienurlaub in Dänemark war verregnet. Und doch war dieser Sommerurlaub einer, den ich nicht vergessen werde. Auf der Rückreise machten wir Station in Schuby bei Schleswig. Eigentlich wollten wir nur mittagessen, und dann blieben wir für Stunden zwischen rotgesichtigen Vierschrötern in der Gaststätte hocken. Der Grund: Ein kleiner Farbfernseher, in dem ein cholerischer junger Mann drei Stunden und 54 Minuten lang versuchte, einen völlig phlegmatischen Herrn am anderen Ende eines graugrünen Tennisplatzes zu bezwingen. Der kleine Choleriker hieß John McEnroe, und ob er sich seit dem Match gegen den schwedischen Eisberg Björn Borg geändert hat, kann man heute und morgen unter die Lupe nehmen – Show Matches gegen Boris Becker und Michael Stich am Rothenbaum.

Das sind die Anlässe, an denen man sich erinnert. Die zweithäufigste Frage zu den 80er Jahren nach: „Was haben Sie am 9. November 1989 gemacht?“ ist die nach dem 7. Juli 1985. Genau, der 17-jährige Leimener gegen Kevin Curren aus Südafrika, auf der Tribüne der radebrechende Günter Bosch und davor der transsilvanische Ion Tiriac. Die Antwort auf die 7.7.-Frage ist allerdings eher langweilig: Denn natürlich lautet sie: Was soll ich schon gemacht haben? Fernsehen geguckt natürlich. Straßenfeger, jeder hat geschaut. Bis auf meinen Kollegen Sven: Der hat währenddessen im Sturm auf der Insel Dingle im Zelt gesessen, und irgendwann kam der Campingplatzbesitzer vorbei und erzählte, ein gewisser Boris Becker habe Wimbledon gewonnen. Wer?

Diese Frage hat sich schnell erledigt. Denn dann gings los. Rothenbaum Sommer 1985: Daviscup gegen die USA. Elliot Teltscher und Aaron Krickstein gegen Becker/Maurer. Und irgendwann natürlich Hartford im Staate Connecticut. Das muss so 1987 gewesen sein, Abstiegskampf. „Die größte Daviscup-Schlacht aller Zeiten“, man hatte das Gefühl, alle, die da agierten, hatten vorher Drogen genommen. Das Match McEnroe-Becker beginnt um 16.37 Uhr und endet um 23.17 Uhr. Und anschließend noch einmal fünf Becker-Sätze gegen Tim Mayotte, den Typen mit diesen seltsam eng zusammenstehenden Augen. Ein bisschen peinlich berührt waren wir vorm Fernseher schon, als Becker anschließend mit einer riesigen Deutschland-Fahne durch die Tennishalle stolzierte, und ein bisschen traurig über die Niederlage von McEnroe. Andererseits war es die Zeit von Ronald Reagan, und da kam uns jede Niederlage der Amerikaner gerade recht. Der Triumph des Alten Europa.

Außerdem war das gerade die Phase, als Becker mit der Hafenstraße und Karin Schulz flirtete. Es war eine gute Zeit, um Becker-Fan zu sein. Besenkammer, Samenraub, Babs, Mercedes-Niederlassung, die Frisur – das war alles noch so weit weg. Boris spielte einfach nur Tennis und wurde irgendwann auch den doofen Günter Bosch los.

Trotzdem: Alles nichts gegen McEnroe. Unser Tennis-Heros. Wo andere sich lässig über die Stirn wischten, um sich dort den Schweiß abzutupfen, rammte er seine Unterarme fast brutal gegen den eigenen Kopf. Dieses wutverzerrte Gesicht, bevor er seinen legendären Linkshänderaufschlag unerreichbar ins gegnerische Feld setzte. Rumbrüllen, pöbeln – all das, was man auf einem Tennisplatz tunlichst nicht tut, entwickelte er zur Methode. Noch einmal, wie 1980, habe ich atemlos vor der Glotze gesessen, zehn Jahre später, wieder in einer Kneipe, diesmal in Südfrankreich zwischen braun gebranntem Surfervolk: Auf der einen Seite John McEnroe, zeternd, hadernd, aufgewühlt, auf der anderen ein junger Schnösel in viel zu langen Tennishosen, ungerührt, makellos, Pete Sampras. Sampras gewann, und meine Liebe zum Tennis erlosch.

Oh, jetzt habe ich fast nichts über Michael Stich geschrieben. Damit ist alles über Michael Stich geschrieben.