Die Vorgänger sind an allem schuld

FC St. Pauli ist finanziell mächtig angeschlagen: Es klafft eine Liquiditätslücke von 2 Millionen Euro. Das Präsidium um Corny Littmann erklärt das auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz mit der Vergangenheit

von OKE GÖTTLICH

Just als man die kurzfristig anberaumten Pressekonferenzen beim FC St. Pauli zu vermissen begann, gab es gestern wieder eine: Das Präsidium um Corny Littmann musste Stellung zu aktuellen Meldungen um die schlechte Finanzlage beziehen. Eigentlich wollten sich die Verantwortlichen noch eine Woche Zeit lassen, um gemeinsam über die finanziellen Probleme hinaus die erforderlichen Verschlankungen des Verwaltungsapparates, die Vereinheitlichung der Arbeitsverträge und die Entwirrung des Gesellschaftsorganigramms zu präsentieren.

Doch wie zuvor bei der Affäre um die„Schwarzen Kassen“ Ende des Vorjahres mussten Corny und seine Detektive Missstände aus der Vergangenheit aufdecken, um die Liquiditätsunterdeckung in Höhe von 2 Millionen Euro zu erklären. Wie beim FC St. Pauli üblich, führte mal wieder eine Indiskretion zu der eiligen Einberufung der Pressevertreter, um den finanziellen Sachstand darzulegen.

Bereits Mitte Februar stellte sich nach einer Liquiditätsprüfung des Wirtschaftsunternehmens MDS Möhrle heraus, dass die von den damaligen Verantwortlichen vorgelegten Zahlen zur Verfügbarkeit von Geldern bis zum Abschluss der laufenden Saison 2002/2003 fehlerhaft gewesen sind. Noch vor der Winterpause unterrichtete die damalige Geschäftsführerin Tatjana Groeteke das neu installierte Interimspräsidium davon, noch 400.000 Euro zur Verfügung zu haben, die in die sportliche Verbesserung der Lizenzspielermannschaft investiert werden könnten. Ein Grund für diese fehlerhafte Einschätzung dürfte vor allem darin liegen, das es im Verein keine ausreichenden Kontrollmechanismen im Alltagsgeschäft gegeben und sich die vorherige Vereinsführung zu sehr auf Planzahlen verlassen hat, was z. B. die Einnahmen aus der Vermarktung angingen, die tatsächlich niedriger lagen als angenommen.

Da allerdings die Zuschauereinnahmen deutlich höher ausgefallen sind als eigentlich geplant und es bereits ab Februar Einsparungen bei den Personalkosten gegeben hat, „erweisen sich die Fehler als besonders tiefgreifend“, erklärt Preussker. Littmann versuchte gestern dennoch, sich einer „Bewertung zu enthalten, was die Investitionen in der Vergangenheit betrifft“. Wirklich gelungen ist ihm das angesichts der 4 Millionen Euro, die „aus dem sportlichen Bereich in andere Sachen investiert worden sind“ (Manager Stephan Beutel) allerdings nicht. Darunter sind Ausgaben für das Nachwuchsleistungszentrum (1,4 Mio. Euro), den Erwerb der Marketingrechte von Heinz Weisener (1,3 Mio.), der Stadionbetriebs GmbH (1,4 Mio.), dem Verlust der Stadionzeitung (0,5 Mio.) und jüngste Spielerverpflichtungen (0,6 Mio.) enthalten. „Die Frage der Refinanzierung hätte anders gelöst werden müssen“, stichelt Littmann dann doch gegen seine Vorgänger.

Neben einem völligen Neustart greift Corny Littmann allerdings auch auf alt- und kaum bewährte Maßnahmen zurück, um den Verein finanziell besser auszustatten. Außer einem Förderkreis aus privaten wie wirtschaftlichen Geldgebern sind „optimistisch stimmende Gespräche mit dem Senat geführt worden, um zukünftige Lösungen gemeinsam mit dem Verein zu erarbeiten“, wie Littmann glaubt. Außerdem käme es für das jetzige Präsidium nicht in Frage „Teile eines Vereins bewusst in die Insolvenz zu treiben, sondern verloren gegangenes Vertrauen einiger Partner durch solides Wirtschaften zurückzugewinnen“.

Vielleicht gelingt es so, dem ständig unzufriedenen Trainer Franz Gerber einen höheren Etat für den wahrscheinlichen Regionalliga-Abstieg zur Verfügung zu stellen.