Pisa, Grillen und saure Milch

An der Gesamtschule Ost wollten gestern 42 SchülerInnen beim Pisa-Test beweisen, dass sie besser sind als ihr Bremer Ruf. Urteil: „Die Aufgaben waren schwer und anders als im Unterricht“

„Natürlich ist das wichtig, wie gut wir sind!“ sagen Farhad und Aylin

taz ■ „Eine Grille macht 17 Geräusche in 20 Sekunden. Wie viele Geräusche macht sie in 34 Sekunden?“ – eine klassische Dreisatz-Matheaufgabe, die Darius und 41 andere 15-jährige Acht-, Neunt- und ZehntklässlerInnen gestern an der Gesamtschule Bremen-Ost (GSO) zu lösen hatten. PISA war angesagt. Eine neue Runde im landesweiten Schülerquälen stand an – und diesmal wollten die Bremer nicht so beschämend Letzte werden wie beim letzten Mal. Also: die Landesschande auswetzen. Und hier noch eine Frage: „Wenn man Milch stehen lässt und sie schlecht wird, was schwimmt dann oben drauf? Ist das Fett?“ – wer weiß das noch?

Dem fünfzehnjährigen Darius war der Test vor allem zu lang: „Ich hab vier Stunden geschrieben, sonst schreiben wir Arbeiten nur eine Stunde lang.“ Der Zehntklässler war froh, als es vorbei war. Immerhin, so schätzt er, hatten die SchülerInnen ungefähr 40 Seiten mit Aufgaben aus den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften hinter sich zu bringen. „Die Aufgaben waren schwer und anders als im Unterricht“, sagt Darius. Da sei er manchmal unsicher gewesen: „Man will ja nichts Falsches anzukreuzen.“ So sieht das auch der Pisa-Beauftragte der GSO, Volkmar Baumann: „So schätze ich die Jugendlichen nicht ein, dass ihnen egal ist, wenn sie was falsch machen.“

Am 30. April startete in Bremen der PISA-Test 2003, an dem Schülerinnen und Schüler aus fast allen Sek-I-Schulen im Lande Bremen teilnehmen. Die Tests dauern bis zum 31. Mai. Diesmal geht es um „mathematische Grundbildung“. Die internationale Stichprobe (PISA-I) bezieht zwei Bremer Schulen ein.

Es ist geplant, die in PISA 2003 getesteten neunten Klassen im Mai 2004 erneut einem Test zu unterziehen, um auf diese Weise erste Längsschnittdaten (Lernzuwächse) gewinnen zu können.

Der Pisa-Beauftragte Baumann hat versucht, den Schülern die Aufregung zu nehmen, erzählt Heidi aus der achten Klasse. „Wir bekämen ja keine Noten dafür, weil alles anonymisiert wird, kann niemandem hinterher ein Vorwurf gemacht werden“, habe Baumann erklärt.

Der Lehrer habe sich auch während des Testes um sie gekümmert. Während der Prüfung „war er oft bei uns und hat auch Fragen erklärt, wenn wir was nicht verstanden haben.“ Vor dem großen Tag hatte Baumann die 42 zu einem Treffen zusammengetrommelt und ihnen erklärt, wie der Test abläuft.

Er hatte im Internet alte PISA-Aufgaben aus dem Jahr 2000 gesucht und verteilt. Aber Druck, dass die GSO und Bremen besonders gut abschneiden müssten, habe er nicht gemacht, sagen die SchülerInnen. Auch keine andere LehrerIn. Dennoch haben die Schüler sich angestrengt: „Natürlich ist das wichtig, wie gut wir sind!“ sagen Farhad und Aylin, die selbst nicht mit geschrieben haben. „Jetzt würden wir gerne wissen, was bei dem Test rausgekommen ist, aber das erfahren wir ja nicht“, bedauern die Pisa-SchreiberInnen Heidi und Darius. Viele, die mitschreiben mussten, „waren nicht so berauscht davon“, erzählt Heidi. Einige hätten gesagt: „Für so einen Scheiß strenge ich mich nicht an.“ Schließlich hätten sie sich doch noch bis zur letzten Minute konzentriert, berichtet die Schülerin.

„Wenn Milch schlecht wird, was schwimmt dann oben drauf? Ist das Fett?“

Nicht gut sei, dass die Teilnahme Pflicht sei, fügt sie hinzu. So konnte eine GSOlerin gestern nicht mit ihrer Klasse nach Hamburg fahren. Auch der Tag der offenen Tür bei DaimlerChrysler blieb den 42 verwehrt. „Dabei wären wir da auch total gerne hingegangen.“

ube