Das griechische Duell der Dynastien

Bei den Parlamentswahlen stehen sich die Sprösslinge bekannter Politdynastien gegenüber. Die Wähler der politischen Mitte würden wohl am liebsten den bisherigen Ministerpräsidenten Simitis behalten. Doch den ließ seine eigene Partei fallen

Die Pasok-Basis berauschte sich an der Illusion alter Zeiten mit Andreas Papandreou

VON NIELS KADRITZKE

In Griechenland entscheidet sich am Sonntag, ob der nächste Ministerpräsident Papandreou oder Karamanlis heißt. Zwar geht es bei Parlamentswahlen auch um die jahrzehntelange Konkurrenz zwischen der Regierungspartei Pasok und der oppositionellen Nea Dimokratia (ND). Aber angesichts des inhaltslosen Wahlkampfes tritt das Duell der Dynastien in den Vordergrund.

Kostas Karamanlis ist der Neffe von Konstantin Karamanlis, der als Ministerpräsident bis in die 1960er-Jahre und als Staatspräsident nach dem Ende der Junta die beherrschende Figur der Rechten war. Jorgos Papandreou ist der jüngste Spross der großen Familiendynastie der Linken: Großvater Jorgos war der liberale Gegenspieler des alten Karamanlis, Vater Andreas gründete die „sozialistische Bewegung“ Pasok und war 1981 bis 1995 meist Ministerpräsident.

Dass Karamanlis für die Nea Dimokratia ins Rennen gehen würde, stand seit langem fest. Gegen wen er anzutreten hat, erfuhr das Wahlvolk dagegen erst Mitte Januar. Auf der Zielgeraden des Wahlkampfs vollzog die Pasok einen eiligen Stabwechsel vom amtierenden Ministerpräsidenten Kostas Simitis zum Träger des Namens Papandreou. Denn Simitis lag in den Umfragen seit zwei Jahren hoffnungslos zurück. Der neue Kandidat sollte die traditionelle Basis mobilisieren, die dem sozialdemokratischen Kurs des ungeliebten Reformers nur missmutig hinterhergetrottet war.

Die Rechnung ging zunächst auf. Schlagartig halbierte sich der demoskopische Vorsprung der ND von 8 auf 4 Prozent. Damit schien Papandreou das Potenzial der Pasok, das Simitis nicht mehr abrufen konnte, voll auszuschöpfen. Als er Anfang Februar neuer Pasok-Vorsitzender und Spitzenkandidat wurde, glaubte die Partei das Zaubermittel gefunden zu haben: Papandreou als zwitterhafte Doppelspitze. Als Sohn von Andreas mobilisiert er den linkspopulistischen Anhang, der alten Zeiten nachtrauert. Als Außenminister der Simitis-Regierung verspricht er die Fortsetzung des nüchternen Reformkurses, der eher die Wähler in der Mitte anspricht.

Die Funktionsweise dieses Zwitterwesens wird bei jedem Auftritt deutlich. Da sieht man einen schüchtern wirkenden Mann mit bemühtem Pathos unverbindliche Formeln referieren, die niemand hören will. Die Pasok-Basis will nur grüne Fähnchen schwenken und sich an der Illusion berauschen, Andreas sei wieder unter ihnen. Nach dutzenden solcher Auftritte lag Pasok zwei Wochen vor der Wahl noch immer drei Prozent zurück. Seitdem dürfen keine Umfragen mehr veröffentlicht werden, aber die ND ist zuversichtlich. Denn die unabhängigen Auguren wetten, dass am Abend des 7. März Karamanlis vorn liegt.

Wenn es so kommt, wird Pasoks Niederlage einen Namen haben: Pachtas. Er gehört einem Vizeminister, der Papandreou am 25. Januar ein böses Ei ins Nest gelegt hatte. Mit Hilfe einer der Gesetzesnovellen, die am Ende einer auslaufenden Legislaturperiode immer wieder durchgepeitscht werden, verschaffte er einer Baufirma die Lizenz für touristische Anlagen in einer Bauverbotszone. Die mit gefälschten Unterschriften garnierte Geschichte entlarvte Papandreous Anspruch, als Saubermann gegen die Korruption aufzutreten, als naiven Vorsatz.

Tags darauf stolperte Papandreou benommen durch den Wahlkampf und brachte keinen Satz zu Ende. Da muss ihm gedämmert haben, dass die Wähler auch ihm nicht zutrauen, was schon Simitis nicht packte. Die Selbstbedienungsmentalität ist zwar in der Pasok nicht stärker als in der ND, aber die Regierungspartei war einfach mehr Versuchungen ausgesetzt.

Seit dem Pachtas-Skandal kann sich die ND relativ ruhig zurücklehnen und auf die von der Pasok enttäuschten Wähler setzen. Sie weiß, dass Pasok am linken Rand des Parteienspektrums knapp zehn Prozent Stimmen entgehen. Von denen gehen gut fünf Prozent an die KKE, eine stalinistische Endmoräne der europäischen Parteienlandschaft. Mit weiteren drei Prozent kann der sozialistische „Synasposmos“ rechnen. Rechts der ND aber ist nur die faschistische Splitterpartei Elas. Die Wahlen werden also in der Mitte entschieden, wo Karamanlis mit seiner ruhigen, kumpelhaften und für einen rechten Politiker relativ aufgeklärten Art entscheidende Prozente gewinnen dürfte.

Noch ist die Wahl nicht ganz entschieden. Mit einem Verzweiflungsprogramm versuchte Papandreou zuletzt noch die Pasok-Verluste in der Provinz wettzumachen und versprach den Bauern eine massive Erhöhung der Altersrenten. Ob das reicht, ist zweifelhaft. Ein Sieger aber steht schon fest. Simitis hat bei seinen wenigen Wahlkampfauftritten überzeugender gesprochen als der junge Papandreou. Viele Griechen fragen sich heute, warum die Pasok es Simitis so schwer machte, seine Qualitäten zur Geltung zu bringen. Egal ob Karamanlis oder Papandreou gewinnt: Die Wähler der Mitte hätten mehrheitlich für Simitis gestimmt.