Erpressung mit Bomben auf den Schienen

Eine unbekannte Gruppe namens AZF will Geld von der französischen Regierung. Die Öffentlichkeit reagiert gelassen

PARIS taz ■ Zehntausend französische EisenbahnerInnen waren gestern bei kaltem, feuchtem Wetter auf den Beinen. Ihr Auftrag: Das 32.500 Kilometer lange Schienennetz ablaufen und Bomben suchen. Eine Terrorgruppe namens AZF will im Schotter unter den Gleisen acht Bomben deponiert haben. Plus zwei weitere an „symbolischen Orten“. Die Bomben hätten, so teilte AZF dem Innenministerium mit, Zeitzünder, die eine Verzögerung von mehreren Tagen ermöglichten.

Dass AZF technisch kompetent ist, haben die Ermittler am 21. Februar festgestellt. Da fanden sie, auf der obersten Etage eines zweistöckigen Viadukts bei Limoges, infolge der Angaben von AZF eine Bombe. Der aus Nitrat und Öl bestehende „Sprengsatz“ war mit einem ausgefeilten Zündmechanismus versehen.

Seither nehmen die Ermittler AZF ernst. Auch wenn sie, den mageren Angaben aus dem Innenministerium zufolge, nicht wissen, ob sie es mit einer Einzelperson oder einer Organisation zu tun haben. Lediglich das Motiv für die Erpressung mit den Bomben auf der Schiene scheint klar zu sein: AZF will Geld vom Staat. Insgesamt 4 Millionen Euro und 1 Million Dollar. AZF hat sich nach dem Chemiewerk benannt, das im September 2001 in Toulouse explodierte und 31 Menschen tötete, und deutet in seinen Schreiben ein Unwohlsein in der globalisierten Welt an. Doch die Regierung hält AZF für unpolitisch.

Die Öffentlichkeit verdankt ihr Wissen der Dépêche du Midi in Toulouse. Das Blatt hat am Mittwoch veröffentlicht, dass AZF bereits seit Dezember Kontakt mit dem Innenministerium hat. Die Information lag auch anderen Medien vor. Doch die hatten sich an eine „Empfehlung“ aus dem Innenministerium gehalten. In einer „Notiz an die Redaktionen“, hatte Nicolas Sarkozy geschrieben, „aus offensichtlichen Gründen der Sicherheit“ sei es besser, die Attentatsdrohungen geheim zu halten.

Gestern bestritten fast alle französischen Zeitungen ihre Titelseiten mit dem Thema. Viele behandeln das Thema mit Witz und Zweifel. Dafür sorgt unter anderem die Semantik in der Kommunikation zwischen Innenministerium und AZF. „Mein großer Wolf. Ich habe dein blaues Tuch nicht gefunden. Melde dich“, hatte in einer Kleinanzeige gestanden, die am Mittwoch in dem Pariser Blatt Libération erschien. Unterzeichnet war sie mit „Suzy“. „Suzy“ ist das Innenministerium.

Einige JournalistInnen in Paris verweisen auch auf mehrere Fahndungspannen: so flogen die Ermittler auf Anweisung von AZF mit einem Hubschrauber voller Geld zu einem Treffpunkt für eine Übergabe, fanden dann aber nicht den richtigen Weg. Manche BeobachterInnen vergleichen die Affäre mit einem „schlechten Polizeiroman“.

Auf den Bahnhöfen reagierten die FranzösInnen stoisch. Sie haben bereits mehrere Wellen von Attentaten erlebt: darunter die von Carlos inspirierten in den 80er-Jahren und die der Islamisten in den 90er-Jahren. Hinzu kommen beinahe täglichBomben von korsischen Terroristen.

DOROTHEA HAHN