Ultimatum an jüdische Siedler

Die israelische Regierung verlangt die Räumung von sechs Außenposten im Westjordanland. Das soll für gute Stimmung vor der Washington-Reise von Ministerpräsident Scharon sorgen. Peace Now kritisiert den anhaltenden Ausbau der Siedlungen

AUS JERUSALEM VOLKMAR KABISCH

Die israelische Regierung hat jüdische Siedler im Westjordanland ultimativ aufgefordert, sechs illegale Außenposten aufzugeben. Das Ultimatum lief gestern bei Sonnenuntergang ab. Die Aufforderung zur Räumung dürfte im Zusammenhang mit dem Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon in Washington Ende März oder Anfang April stehen.

„Wenn die Siedler nicht freiwillig gehen, dann werden sie dazu gezwungen. Die Armee wird dann die Bewohner evakuieren“, sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums. Die sechs illegalen Außenposten liegen auf Hügeln, und ihre Bewohner leben in Wohnwagen und in Zelten.

Der anhaltende Aus- und Weiterbau der Siedlungen stand gestern auch im Mittelpunkt des Jahresberichts der israelischen Friedensorganisation Peace Now. Seit dem internationalen Friedensplan („Roadmap“) vom Juni 2003 seien drei neu entstanden, acht an das örtliche Verkehrsnetz angeschlossen und einige mit Wasser und Strom versorgt worden. Die Regierung hatte während der Verhandlungen über die „Roadmap“ erklärt, etwa 100 solcher illegalen Siedlungen räumen zu lassen. „Doch dem war nicht so; nur unbedeutende wurden demontiert; die großen und wichtigen wurden nicht angetastet“, sagte der Koordinator der Siedlungsbeobachter Dror Etkes von Peace Now. Die israelische Regierung habe im Gegenteil durch finanzielle Unterstützung am Ausbau teilgenommen. Insgesamt existierten nun im Westjordanland 208 illegale „Kleinsiedlungen“.

Peace sieht zwei Hauptgründe für die steigende Siedlungsaktivitä: Zum einen das natürliche Wachstum angesichts steigender Geburtenraten und zum anderen wirtschaftliche Gründe. Ein Wohnwagen mit durchschnittlich drei Räumen kostet 60 bis 100 US-Dollar pro Monat, was im Vergleich zu Mietpreisen in den Städten wenig ist. Außerdem übernimmt der Staat die infrastrukturelle Anbindung der Außenposten.

Der Hauptkritikpunkt der 1978 von Offizieren und Soldaten gegründeten Friedensorganisation ist jedoch ein anderer. Im letzten Jahr seien häufig Vorkehrungen getroffen worden, die Wohnwagen durch steinerne Häuser zu ersetzen. Dazu würden in unmittelbarer Nähe zu den Außenposten Flächen planiert, um mit dem Bau beginnen zu können. Im weiteren Verlauf könne man dann nicht mehr von Außenposten, sondern von Siedlungen sprechen, so der Bericht von Peace Now.

Zum gestrigen Ultimatum sagte Etkes, er glaube der israelischen Regierung nicht. Sie habe solche Ankündigungen schon oft gemacht. Außerdem sei unter den sechs zu räumenden Außenposten nur einer, der wichtig sei (Givat Arie). In diesem leben ungefähr 25 bis 30 Menschen. Die anderen seien verschwindend klein. Und selbst wenn es zu einer Räumung käme, wären die Siedler innerhalb einer Woche wieder da. „So war es bisher immer“, fügte Etkes hinzu.

Der Vorsitzende der National- Religiösen Partei Israels, Effi Etam, sagte dem Federal News Service, die Siedler würden keine Sonderbehandlung vom Staat Israel bekommen und alles würde in Absprache mit den Amerikanern geschehen. Die Sprecherin des Verteidigungsministeriums nannte das Ultimatum einen geeigneten Weg, um vor der Reise Scharons guten Willen zu zeigen.

Die palästinensische Autonomiebehörde reagierte mit Vorbehalten auf das Ultimatum. Der palästinensische Minister Ghassan al-Khatib sagte, die Palästinenser würden erst reagieren, wenn die Räumungen tatsächlich stattfänden, jedoch glaube er das bisher noch nicht.