Der Chefentlaster

Binalshibh wäre auch im ersten 11.-9.-Prozess in den USA der Hauptentlastungszeuge – reden soll er auch hier nicht

WASHINGTON taz ■ Der von den USA an einem geheimen Ort festgehaltene mutmaßliche Cheforganisator der Terroranschläge vom 11. September, Ramsi Binalshibh, spielt nicht nur in den Hamburger Terrorprozessen eine Schlüsselrolle. Auch für den bislang einzigen angestrengten Terrorprozess in den USA im Zusammenhang mit „9/11“ gilt Binalshibh als Hauptentlastungszeuge. Die US-Regierung weigert sich jedoch hartnäckig, ihn als Zeugen zuzulassen. Sie fürchtet, seine öffentlichen Äußerungen gefährdeten die nationale Sicherheit, laufende Ermittlungen und die Arbeit der Geheimdienste.

Diesseits des Atlantiks geht es um den Fall des 34-jährigen Zacarias Moussaoui, des so genannten „20. Flugzeugentführers“. Der französische Staatsbürger marokkanischer Herkunft ist angeklagt, an den Vorbereitungen der Anschläge beteiligt gewesen zu sein. Zwar wurde er bereits im Sommer 2001 verhaftet, als er eine Flugschule im US-Bundesstaat Minnesota besuchte. Aber nur seine Festnahme habe die geplante Mission vereitelt, so der Vorwurf. Moussaoui bestreitet jede Verwicklung in die Attentate, bezeichnet sich aber als Al-Qaida-Mitglied. US-Justizminister John Ashcroft hat für ihn die Todesstrafe gefordert.

Der Prozess gegen Moussaoui wurde bereits zweimal verschoben. Nun soll er im kommenden Juni beginnen, die Staatsanwaltschaft fordert jedoch, den Prozessauftakt erneut zu vertagen. Grund für die Verzögerung ist die offene und heftig umstrittene Frage, ob der Angeklagte das Recht hat, Binalshibh als Zeugen zu befragen. Die Klageschrift benennt den Al-Qaida-Logistikchef als Mittäter.

Die US-Regierung will unter allen Umständen verhindern, dass Binalshibh in einem öffentlichen Verfahren aussagt. Der zuständige Richter an einem Bundesgericht in Washington soll jedoch laut Medienberichten bereits im Januar entschieden haben, dass Moussaoui, der die Hilfe von US-amerikanischen Anwälten ablehnt und sich selbst verteidigt, Binalshibh in den Zeugenstand berufen darf.

Rechtsexperten sind der Ansicht, dass der Prozess nur dann aufgenommen werden kann, wenn Binalshibhs Aussagen geheim bleiben. Ein Ausweg für das US-Justizministerium könnte sein, Moussaouis Fall der Zivilgerichtsbarkeit zu entziehen und einem Militärtribunal hinter verschlossenen Türen zu übergeben. MICHAEL STRECK