Zivil im Dienst des Pentagon

Der Karrierediplomat L. Paul Bremer wird neuer US-Zivilverwalter im Irak. Der Konflikt zwischen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Außenminister Colin Powell schwelt weiter

aus Washington MICHAEL STRECK

Auch wenn L. Paul Bremer von US-Präsident George Bush nunmehr offiziell auf dem Chefsessel als Statthalter in Bagdad platziert wurde, sitzt er nach wie vor zwischen den Stühlen. Sein Verhältnis zum derzeitigen US-Administrator und pensionierten Generalleutnant Jay Garner ist weiterhin nebulös, und die Meldungen über die Zuständigkeiten zwischen Pentagon und Außenamt sind widersprüchlich.

Zunächst hieß es, Bremer soll Garner vorgesetzt werden. Dann, er solle mit ihm gleichberechtigt zusammenarbeiten. Nun heißt es, er werde Garner ablösen. Dieser werde jedoch weiterhin eine wichtige Rolle in Bagdad spielen. Welche bleibt jedoch unklar. Das Pentagon reklamiert für sich, dass der 61-jährige Diplomat Verteidigungsminister Donald Rumsfeld unterstellt ist anstatt Außenminister Colin Powell Bericht zu erstatten.

Dennoch wird Bremers Ernennung in Washington als Punktsieg für Powell und seine Behörde gewertet. Der Schritt könnte dazu dienen, Kritiker aus Europa und den Vereinten Nationen zu besänftigen, die sich stets einen wirklichen „zivilen“ Oberverwalter für den Irak gewünscht hatten, keinen Exgeneral und Waffenhändler.

Bremers Amtseinführung am Dienstag im Weißen Haus beendet zumindest vorläufig das Tauziehen zwischen Verteidigungs- und Außenministerium um die führende Rolle bei der Gestaltung der Nachkriegsordnung im Irak. Vertreter beider Ministerien liefern sich seit Wochen einen Grabenkrieg um die Besetzung von Schlüsselpositionen und die Aufgabenverteilung im besetzten Zweistromland und sind zudem tief zerstritten über die grundsätzliche Ausrichtung der US-Außenpolitik nach dem Fall Bagdads. Powells Leute sollten jedoch nicht zu früh frohlocken, meint Bathsheba Crocker vom Zentrum für Strategische Studien in Washington. Schließlich sei Bremer direkt dem Pentagonchef unterstellt. „Es bedeutet, dass das Pentagon immer noch die treibende Kraft ist.“ Nicht ohne Grund saß Bremer vielleicht bei der Ernennung im Oval Office zwischen Bush und Rumsfeld.

Über zwei Jahrzehnte stand Bremer, der in Harvard, Yale und Paris studierte und fließend Niederländisch und Norwegisch spricht, im diplomatischen Dienst. Er arbeitete in Botschaften von Kabul über Den Haag bis Oslo und diente unter sechs US-Außenministern. Nachdem der weltgewandte Diplomat seine aktive Laufbahn 1989 beendete, wechselte er auf Beraterposten in die freie Wirtschaft und profilierte sich als Experte für Terrorbekämpfung. Der als Zögling des früheren Außenministers Henry Kissinger geltende Bremer wurde letztes Jahr in Präsident Bushs Beratergremium für Heimatschutz berufen.

Bremer passt weder in die Schublade Falke noch Taube, in die Außenpolitiker in Washington gern gesteckt werden. Er warb im Vorfeld des Irakkrieges eher für militärische Zurückhaltung und vertrat die Ansicht, die Abrüstung des Irak könne auch ohne Krieg erreicht werden. Später plädierte er für eine breite internationale Allianz, um die US-Streitkräfte bei ihrer Invasion zu unterstützen.

Der erfahrene Diplomat L. Paul Bremer wird auf jeden Fall ein anderes Gesicht der Vereinigten Staaten in Bagdad verkörpern als der hemdsärmelige, Kaugummi kauende Garner, der vor allem gerne zu „American Barbecue“ einlädt und sich nach Ansicht mancher Außenpolitikexperten oft nicht besonders taktvoll verhalten habe. Bremer könne nicht nur die politische Situation treffend analysieren, meint ein Nahostkenner, sondern auch „die Landminen vermeiden, von denen es im Irak zahlreiche gibt“.