Sandkuchen zu Sportwagen

Seit 20 Jahren macht das „Theâtre du pain“ Chaos mit System

Sie spielen immer noch gerne mit dem Essen herum. Wenn es im Theater nach Bratfett riecht, wenn Hamburger unter die Achselhöhlen geklemmt werden und ein Zigarette rauchender geräucherter Fisch auftritt, dann ist das Bremer Brottheater wieder am Werk.

Seit 20 Jahren arbeitet sich das „Theâtre du pain“ an dem Mega-Projekt der Aufhebung aller Bedeutungen ab. Und da ist es schon fatal, wenn die Sinn- und Bilderstürmer inzwischen wie gute alte Bekannte wirken, ihre Provokationen nur noch die Erwartungen erfüllen und jede Bühnenaktion an Vorhergegangene erinnert, über die man sich damals vielleicht wirklich aufgeregt hat. Damals, als die Theater-Anarchos noch mit Tourneen durch die Republik eine Spur des Verschreckens zogen. Doch wenn das Unerwartete erwartet wird, sitzen die Akteure in der Falle. Genau diesen Eindruck machen Hans König, Mateng Pollkläsener und Wolfgang Sucher beim Jubiläumsprogramm in der Bremer Schankhalle.

Sie sind immer noch mit Inbrunst bei der Sache, vielleicht war das „Theâtre du pain“ nie so gut wie heute: Da ist jeder absurde Effekt genau kalkuliert, und wenn die drei zusammen Musik machen, dann stimmt jeder Ton. König und Pollkläsener waren ja auch schon von Anfang an mit dabei: Inzwischen kann wohl keiner so souverän wie sie in labbriger Herrenunterwäsche herumtanzen oder Loblieder auf Paderborn singen: Das ist nicht GaGa sondern Dada.

Auch sind einige Nummern wirkliche hoch philosophische Glanzlichter: so die Szene, in der die Anzugträger Pollkläsener und Sucher an einer kleinen Sandkiste hocken und sich so über ihre Sandkuchen, Förmchen und die Harke unterhalten, als wären es ihre neuen Sportwagen. Dies ist immer ihr Grundprinzip gewesen: Zwei Elemente, die logisch möglichst weit voneinander entfernt sind, werden so selbstverständlich wie möglich miteinander verbunden. Je mehr sich die Vernunft dagegen sträubt, desto witziger ist es.

Im Idealfall macht dieser Zusammenprall auf neue, poetische Weise Sinn: Das gelingt beispielsweise in der Szene, in der eine Hörkassette für Meditationsübungen abgespielt wird, zu der Pollkläsener und Sucher sich mit kleinen boxenden Kasperlefiguren an den Händen die Köpfe malträtierten. Vom Publikum freudig erwartet sind auch die Schockeffekte, für die meist Pollkläsener zuständig ist. Diesmal hält er seinen Ellenbogen in eine heiß brutzelnde Pfanne, um ein dort befestigtes Steak zu braten. Und während des schönen Solo des Herrn Sucher pinkelt er in dessen Baritonhorn.

Aber auch das wirkt inzwischen schon wie eine Selbstparodie. Die Amokläufer sind müde geworden, und das Publikum applaudiert freundlich nach einem netten Abend. Wilfried Hippen

Aufführungen: heute & 10. - 13. März, jeweils 20.30 Uhr, Schwankhalle, Buntentorsteinweg 112, Bremen